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Archiv-Artikel

Bretter, die Solidarität bedeuten

Auf Kuba sind Skateboards schwerer zu haben als Adidas-Trainingsanzüge oder Coca Cola. Die „Havanna-Locals“, die bislang auf Holzlatten über selbst gebaute Rampen rollen, will nun die Hamburger Initiative „Subvert Cuba Project“ unterstützen

von ANDREAS BOCK

In einem Kellerverlies am Neuen Pferdemarkt stolpert Volker Lux durch sein kreatives Chaos in Richtung Küche. „Bloß nicht umgucken!“, sagt er. Inmitten von Kartonbergen, Metallregalen, Matratzen und alten Skateboards hat er sich ein provisorisches Büro für seine Firma „Subvert“ eingerichtet. Auf dem Schreibtisch liegt ein halbes Brötchen, daneben Streichwurst, Konserven, Rechnungen und ein Apple- PowerBook. Bis vor kurzem hat Volker hier gewohnt, jetzt soll der vordere Raum in einen Skateshop umfunktioniert werden: „In zwei Wochen ist Eröffnung“, sagt der 36-Jährige, ein etwas ungläubiges Grinsen auf seinen Lippen. „Hast du noch einen Lagerraum?“

Volker Lux öffnet seinen Laptop und zeigt ein Video, auf dem Sandro Dias, Profi-Skater aus Brasilien, durch den einzigen Skatepark Kubas saust. Die „Havanna-Locals“ sind begeistert, jubeln Sandro zu, der auf seinem 300-Dollar-Board Tricks zeigt, die sie bis dahin nur aus Magazinen kannten. Die Jugendlichen lachen in die Kamera, unter dem Arm ihre eigenen Boards, oftmals antike Schmuckstücke, einige fahren auf zurechtgeschnittenen Holztüren.

„Die sind schon alle sehr kommunistisch dort“, sagt Volker Lux. Doch wenn ausländische Skater wie Sandro mit ihren Reef-Schuhen und T-Shirts von Vans über den rissigen Asphalt rollen, drücken sie schon mal ein Auge zu. Auch Kubas Sportminister Umberto Rodriguez Gonzales nahm das mit den amerikanischen Skateboardlabels weniger genau, als er, flankiert von Sandro Dias und zahlreichen kubanischen Skatern, auf der Halfpipe für die Presse posiert.

„Die Ankunft Sandro Dias’ war wie die eines Messias“, sagt Volker Lux. „Es wird erzählt, dass Sandro am ersten Abend barfuß den Skatepark verließ, seine Schuhe hatte er einem kubanischen Jungen geschenkt.“ Als Volker von dem Trip erfährt, und davon, wie begeisterungsfähig die Skater in Kuba sind, entschließt er sich, das „Subvert Cuba Project“ ins Leben zu rufen. Sein Ziel: Second-Hand-Skateboards für Kuba. Das Projekt kommt schnell ins Rollen, bisher hat Volker über 150 Skateboarddecks und ungefähr denselben Satz Rollen gesammelt. Die Spenden bekommt er auf Skate-Events, auf denen Volker mit seiner Freundin Antje Infostände aufbaut, Flyer verteilt und auf das Projekt aufmerksam macht. Das bunte Bild einer Skateboardkultur mit scheinrebellischen und affirmativen MTV-Charakter wertet Volker als Klischee: „Skater sind schon tendenziell links und auf jeden Fall kritisch. Gerade an den Infoständen merken wir, dass die Leute wirklich interessiert an solchen Projekten sind.“

Selbst die Global Player des Skateboarding, die Schuhhersteller Vans und Etnies, die gemeinhin nicht gerade für ihr soziales Engagement bekannt sind, hätten schon zahlreiche Schuhe gespendet, die „hier und da kleinere Mängel aufweisen“. Allerdings, so räumt Volker Lux ein, würde mit diesen Firmen vornehmlich auf unterer Ebene kommuniziert: „Die Firmenspitze weiß sicherlich nichts davon, dass reklamierte Schuhe zu uns geschickt werden.“

Eine Verschiffung nach Kuba hat es allerdings noch nicht gegeben. Zumeist waren die Container der Berliner Arbeitsgemeinschaft „Cuba Sí“ überfüllt, zudem sucht Lux noch nach einer NGO in Havanna, die die Spenden entgegennimmt. Dann will er auch einmal selbst nach Kuba reisen, denn das meiste kennt er nur aus Erzählungen, zum Beispiel das Prozedere der Verteilung: „Wenn ein Skater aus den USA oder Europa ein Board in Havanna zurücklässt, bekommt das nicht der, der am lautesten schreit“, erzählt Lux, „sondern immer der aktuell beste Fahrer.“

Hierarchiefreier Kommunismus sieht anders aus, doch in Kuba werden eben häufiger beide Augen zugedrückt. Fidel konnte immerhin eine Rede im Adidas-Trainingsanzug halten. Sein Sportminister, heißt es, soll nach seinem letzten PR-Auftritt mit den „Havanna-Locals“ auf Rollen zur Arbeit gefahren sein.