Liebesentzug in vier Akten

FUSSBALL-BUNDESLIGA Der HSV verliert 0:2 gegen den SC Freiburg und die letzten Sympathien seiner Fans

Jeden Ballkontakt der Freiburger bedachten die HSV-Fans mit frenetischem Beifall

Die Erwartungen an dieses Spiel waren sowieso nicht hoch gewesen – realistisch gesehen hatten weder der Hamburger SV noch der SC Freiburg etwas zu gewinnen. Dass aber mit dem HSV ausgerechnet die besser platzierte Mannschaft die Erwartungen noch weit unterbot, führte zur heftigsten Frust-Entladung, die der Volkspark seit langem erlebt hat. Mit einem lust- und kampflosen Auftritt verspielte die Mannschaft ihren letzten Kredit beim eigenen Anhang.

„Irgendwo muss das ja hin“, zeigte Trainer Michael Oenning nach dem Spiel Verständnis für die Wut der Fans. Abgesehen von den beiden Treffern von Demba Cissé, einigen weiteren gut gespielten Kontern der Breisgauer sowie einer Handvoll gefährlicher Aktionen der Hamburger spielten sich die spannendsten Szenen des Nachmittags in der Nordgeraden ab, wo der harte Kern der HSV-Anhänger beheimatet ist.

Der Liebesentzug vollzog sich in vier Akten: Dem langen Hoffen auf Besserung folgte nach einer Stunde demonstratives Desinteresse in Form von La Ola-Wellen. Als sich die Mannschaft davon nicht beeindrucken ließ, gingen die Fans zur offenen Kritik über: „Wir ha‘m die Schnauze voll“ war noch die höflichste der Schmähungen.

Spätestens mit dem Treffer zum 0:2 verhängten die Fans die Höchststrafe für Fußballer: Sie verhöhnten ihre eigene Mannschaft. „Wer wird deutscher Meister Ha-Ha-Ha-SV“, „Oh, wie ist das schön“, „Auswärtssieg“, ertönte es, und jeder Ballkontakt der Freiburger wurde mit frenetischem Beifall bedacht. Der angefressene Noch-Sportchef Bastian Reinhardt konnte sich nach Spielschluss eine Retourkutsche nicht verkneifen. „Wie unsere Fans reagieren, wenn wir in Schwierigkeiten stecken, haben wir heute gesehen.“

Der leblose Auftritt verwundert umso mehr, da der frisch mit einem Zwei-Jahres-Vertrag ausgestattete Michael Oenning die restlichen Saisonspiele zum Spieler-Casting erklärt hatte. „Wir werden sehr, sehr schnell sehen, mit wem die Reise weitergeht und mit wem nicht“, sagte er und ließ folgerichtig Spieler wie Tunay Torun, Guy Demel und Piotr Trochwowski, die den Verein mit Sicherheit verlassen, auf der Tribüne oder der Bank.

Dafür spielte der Südkoreaner Son, der neben Änis Ben-Hatira, Dennis Diekmeier und Dennis Aogo zu den jungen Hoffnungsträgern zählt, von Beginn an. Neben Ben-Hatira, der nach seiner frühen Auswechslung Oennings Handschlag verweigerte, enttäuschten vor allem Eljero Elia und Ze Roberto, der vor kurzem einen Zwei-Jahresvertrag gefordert hat. Ohne Namen zu nennen, zog Oenning ein bitteres Fazit seines Castings: „Heute hat sich manifestiert, wie wichtig es ist, dass wir einen Umbruch machen.“

Wenn das augenblickliche Personal in zwei Wochen gegen Abstiegskandidat Borussia Mönchengladbach spielt, muss es sich zusammenreißen, um nicht durch Passivität den Abstiegskampf zu entscheiden: Eine Leistung wie am Samstag würde den Tatbestand der Wettbewerbsverzerrung erfüllen. Mit der Unterstützung der Fans rechnet Sportchef Bastian Reinhardt sowieso nicht mehr: „Wir haben“, sagte er, „noch zwei Auswärtsspiele“. RLO