: Mehr Transparenz für tote Schweine
Bundeskabinett beschließt Verbraucherinformationsgesetz zum zweiten Mal – diesmal wohl verfassungskonform. Verbraucherschützer sind dennoch unzufrieden: Auch in Zukunft sind Behörden nicht zu jeder Information verpflichtet
VON CHRISTIAN RATH
Die Bundesregierung nimmt einen neuen Anlauf für ein Verbraucherinformationsgesetz. Nachdem Bundespräsident Horst Köhler das bereits beschlossene Gesetz im vergangenen Dezember als verfassungswidrig stoppte, hat die Regierung gestern einen neuen Gesetzentwurf beschlossen. Geändert wurde aber nur ein rechtstechnisches Detail. Die von Verbraucherschützern geforderte Stärkung der Auskunftsrechte blieb aus.
Über die Frage, wann Behörden die Verbraucher vor (möglicherweise) gefährlichen Produkten warnen dürfen und wann Verbraucher von den Behörden Auskunft verlangen können, wird schon seit Jahren gestritten. Als Renate Künast (Grüne) unter Rot-Grün Verbraucherschutzministerin wurde, versuchte sie, die Zweifelsfragen in einem verbraucherfreundlichen Gesetz zu regeln. Doch die CDU/CSU blockierte das Projekt im Bundesrat.
Erst die Fleischskandale des vergangenen Jahres brachten neuen Schwung in das Projekt. Um die aufgebrachten Bürger zu beruhigen, legte nun auch der neue Minister Horst Seehofer (CSU) ein Verbraucherinformationsgesetz vor. Demnach erhalten die Bürger grundsätzlich Zugang zu allen behördlichen Informationen über Lebensmittel, Futtermittel, Kosmetika sowie Bedarfsgegenstände wie Kleidung und Spielzeug. Zugleich „soll“ die Behörde die Bürger von sich aus informieren, wenn Verdacht auf eine Gefährdung besteht.
Umstritten ist das Gesetz vor allem, weil es Verbraucherschützern nicht weit genug geht. Sie fordern zum Beispiel eine generelle Informationspflicht der Behörden. Seehofer lehnt dies ab. Eine Pressemittelung der Behörden sei nicht erforderlich, wenn es nur um Bagatellprobleme („ein Sprung in der Fliese beim Metzger“) gehe oder wenn sich die betroffenen Unternehmen an die Öffentlichkeit wenden.
Kritisiert wird außerdem, dass das Auskunftsrecht der Bürger durch zahlreiche Ausnahmeregeln durchlöchert wird. So kann die Auskunft grundsätzlich verweigert werden, wenn Betriebsgeheimnisse verletzt sind oder wenn ein Strafverfahren läuft. Immerhin stellte Seehofer gestern klar, dass Gammelfleisch und andere Gesundheitsgefährdungen keine Betriebsgeheimnisse sein können.Wenn es um Gesundheitsverfahren geht, müsse der Staat sogar während laufender Verwaltungsverfahren Auskunft geben.
Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen hält den Ansatz des Gesetzes dennoch für zu eng. „Verbraucher wollen auch bei anderen Produkten Auskunft bekommen, zum Beispiel wenn es um Waschmaschinen geht.“ Außerdem sollten nicht nur die Behörden verpflichtet sein, auf Bürgerfragen zu antworten, sondern auch die Unternehmen.
Bundespräsident Köhler hatte im Dezember andere Sorgen. Ihn störte eine Formulierung, wonach ausdrücklich die Kommunen zur Auskunft verpflichtet werden. Dies verstoße gegen das Grundgesetz, das es dem Bund verbietet, den Kommunen neue Aufgaben zuzuweisen. Im gestern beschlossenen Gesetzentwurf wurde nun das Wort „Gemeinde“ durch „zuständige Behörde“ ersetzt. Damit sollte Köhler zufrieden sein.
Unzufrieden waren gestern die Grünen. Sie hatten auf inhaltliche Nachbesserungen gehofft. Mit dem vorliegenden Entwurf blieben die „schwarzen Schafe in der Wirtschaft weiter ungeschoren“, kritisierte die zuständige Abgeordnete Ulrike Höfken.
Seehofer versprach gestern, das neue Gesetz nach zwei Jahren zu überprüfen. Möglicherweise ist den Verbrauchern auch mehr gedient, wenn das Gesetz endlich einmal in Kraft tritt, statt noch jahrelang über eine Optimierung zu streiten.