: Identität aus der dunklen Bohne
MEXIKO Chiapas ist die Kaffeedose des Landes. Im südlichen Bundesstaat Mexikos werden Arabica-Bohnen en gros geerntet. Doch ein Pilz macht den Bauern das Leben schwer
VON KNUT HENKEL
Ein kleiner Junge hat sich zwischen die Metallstangen der schmalen in das massive Tor eingelassenen Eingangstür gezwängt und schwingt locker hin und her. Es quietscht etwas, aber das lässt den kecken Burschen kalt. Er genießt die kurze Abkühlung von der Sonne, die schon relativ hoch am Himmel steht. Es ist etwas zehn Uhr am Morgen, und noch herrscht kaum Betrieb auf dem von drei Lagerhallen eingefassten Platz der Kaffeekooperative Ismam. Ein paar alte Säcke liegen auf dem fleckigen, grauen Betonboden vor der knallgelb gestrichenen Lagerhalle. Die ist mit dem Emblem der Kaffeekooperative, einem Bauern, der einen Kaffeesack auf den Rücken schleppt, und dem Schriftzug Café Mam geschmückt. So heißt die Hausmarke der indigenen Kaffeekooperative Ismam (Indigenas de la Sierra Madre de Motozintla), die rund um Tapachula vertrieben wird.
Tapachula liegt ganz im Süden Mexikos, nur vierzig Kilometer von der Grenze zu Guatemala entfernt, und die verkehrstechnisch gut angebundene Stadt hat die Genossenschaft ausgesucht, um ihren Arabica-Kaffee in die Welt zu exportieren. „Der wird ökologisch, fair und kollektiv produziert“, erklärt Eimar Velásquez Mazariegos und deutet auf ein Naturland-Aufkleber auf der Tür zu dem Raum, wo die beiden großen Röstmaschinen stehen. Vierzig Kilogramm Kaffeebohnen kann jede davon in etwa zwanzig Minuten rösten und die gemahlenen Bohnen werden in bunten Beuteln mit dem Aufdruck Café Mam in Tapachula und Umgebung verkauft. Mazariegos, ein stämmiger Mann mit vollem Gesicht, ist verantwortlich für die Kommerzialisierung der aromatischen Bohnen, die an den Hängen der Sierra Madre de Motozintla in Höhenlagen zwischen 800 und 1.800 Metern angebaut und geerntet werden. Zwei Stunden Fahrt von Tapachula entfernt befinden sich die Farmen der ersten Mitglieder der Genossenschaft, sieben Stunden entfernt die letzten. Zu denen gehört Rigoberto Galindo Velásquez. In Buenos Aires, einem Dorf in dem Verwaltungsdistrikt Siltepec, hat der knorrige Mann seine kleine Finca. Sechs Hektar bewirtschaftet er und in der Region ist das größte Problem die Infrastruktur und La Roya. „Bis Siltepec gibt es Asphalt, danach wird es schwierig“, sagt der 46-Jährige und legt die Stirn in Falten.
Doch mit der schadhaften Infrastruktur haben die Bauern gelernt zu leben, mit La Roya, dem Kaffeerost, nicht. Der ist derzeit die größte Herausforderung für die indigenen Kaffeebauern. Der gelbe oder orangefarbene Pilz ist hartnäckig, grassiert zwischen dem Süden Mexikos und Kolumbien und lässt die Ernten sinken. „Der Pilz setzt sich auf die Blätter, lässt sie gelb und welk werden. Wenn sie abfallen, vertrocknen auch die Kirschen am Strauch“, erklärt Galindo Velásquez mit hilfloser Geste.
Er ist einer der Sprecher der Bauernorganisation. Die hat mehr als 1.500 Mitglieder, wurde 1986 gegründet, um die Situation der Familien zu verbessern. „Wir hatten es satt, unseren Kaffee an die Coyotes, die Aufkäufer, zu verkaufen“, erklärt Galindo Velásquez. Er hat es noch selbst erlebt, wie die Männer mit den dicken Geldbündeln auf den Hof des Vaters kamen, um die frisch geernteten Bohnen aufzukaufen. „Die Preise waren miserabel. Heute ist das anders“, erinnert sich Gómez und deutet vielsagend auf den Kollegen Eimar Velásquez Mazariegos. Der ist für den Verkauf der aromatischen Bohnen verantwortlich, die vor allem nach Deutschland, in die Schweiz, aber auch nach Italien, die USA und Japan exportiert werden. Ohne Umwege wird der Kaffee an Importeure wie die Ravensburger Fairhandelsgenossenschaft dwp geliefert. Die hat von der Ernte 2013/2104 wie in den Vorjahren auch zwei Container erhalten, so Andreas Zinke. „Andere Importeure haben weniger erhalten, denn nicht nur bei Ismam, sondern in der gesamten Region ist die Ernte rückläufig.“ Um regional dreißig Prozent bis fünfzig Prozent ging die Ernte zurück, lokal sogar bis zu neunzig Prozent, weiß Zinke. Der ist bei der dwp Einkaufsleiter und hat dieses Jahr einen etwas höheren Preis gezahlt, um die Bauern der Kooperative zu unterstützen. Die setzen auf die Erneuerung der Plantagen mit jungen, gegen den Kaffeerost resistenten Pflanzen und mahnen vor dem Einsatz von Pestiziden, die mit den Kriterien von Naturland und anderen Zertifizierern nicht vereinbar sind.
„Wir wollen keine chemischen Produkte, wollen Produkte, die mit unsere biologischen Anbauweise vereinbar sind und sind dabei die Erneuerung der Plantagen fördern“, erklärt Mazariegos. Junge Plantagen sind schlicht widerstandsfähiger und kommen auch besser mit den klimatischen Herausforderungen klar, die sich nicht nur in Chiapas verändert haben. Schon bei der Ernte 2012/13 waren die Kaffeekirschen aufgrund von mehr Sonnenstunden mehrere Wochen früher reif und auch die Regenfälle haben sich zeitlich verschoben, so klagen Bauern wie Galindo Velásquez. Nun ist La Roya im zweiten Jahr die große Herausforderung und alle Bauern sind gespannt, wie die im November beginnende Ernte ausfällt. „Immerhin ist der Kaffeepreis wieder etwas gestiegen, sodass sich die Bauern Investitionen in die Erneuerung der Plantagen zumindest punktuell leisten können“, erklärt Mazariegos die Situation. Staatliche Hilfen wie in Kolumbien, Guatemala oder Nicaragua hat es in Mexiko kaum gegeben, und deshalb fühlt sich Mazariegos schon etwas privilegiert. „Unsere Partner zahlen Zuschläge für den organischen Anbau, die fairen Produktionsbedingungen und obendrein noch einen Qualitätsaufschlag. Das erleichtert es uns zu investieren.“ Damit haben die Bauern in der Sierra Madre de Motozintla bereits begonnen. Doch es wird dauern, bis die Pflanzungen erneuert sind und die Erträge wieder das Niveau von 2012 erreichen. Da wurden 28 Container exportiert. In diesem Jahr werden es deutlich weniger sein.