piwik no script img

Archiv-Artikel

Tod einer Zimtblüte

Was ist esoterischer, die große Liebe oder das Managerdenken? Der Roman „Ein Duell“ von Rudolf Bussmann, frei nach „Don Giovanni“

Seine Hauptfiguren tragen, der Autor thematisiert es selbst, für Schweizer recht merkwürdige Vornamen. Sie heißen Juan Sommer und Ottavio Frick. Rudolf Bussmann hat die beiden Hauptfiguren seines Romans „Ein Duell“ dem Libretto der Mozart/Da Ponte-Oper „Don Giovanni“ entliehen, geht jedoch sehr frei mit ihnen um.

Der eine, Juan, ist ein halbernster Freigeist, der die Frauen nimmt, wie er ihrer habhaft werden kann, und der seine Arbeit, die Beratung von Unternehmen, ebenso halbernst verfolgt. Er hört einfach allen Beteiligten im Unternehmen zu, kommentiert nicht und lässt sie reden. Bald nachdem die Manager sich offenbart haben – und oftmals ihre Niedrigkeit erkannt –, beginnen die Unternehmen sich zu verändern, kündigen leitende Angestellte, entdecken andere ihre Liebe füreinander, und das, was die Unternehmensentwicklung behinderte, löst sich in Wohlgefallen auf. Er nennt seine Methode „Changing management by itself“. Ottavio dagegen, der ernste, tiefe Mensch, bricht zunächst mit seiner Karriere, um schließlich, quasi wie von selbst, da er gleichgültig ist, in den Vorstand der „Usual LTD“ aufzusteigen. Jenem Unternehmen wiederum soll Juan zu einer neuen Zukunft verhelfen.

Und hier beginnt das Duell der beiden früheren Freunde, die sich entzweiten, da sie mit der gleichen Frau zusammen waren. Juan wusste dies, Ottavio, der seinerzeit glaubte, seine große Liebe gefunden zu haben, wusste dies nicht. Nun treffen sich die beiden Studienfreunde Jahrzehnte später als erfahrene Businessmen wieder und nehmen ihren Streit wieder auf – Juan, der Erzähler der Geschichte, trifft auf einen Ottavio, der ihm in einem Moment der Schwäche von der großen Liebe erzählt. Er traf, als er verzweifelt seinen Selbstmord plante, in Paris eine ostdeutsche Fotografin, die er Kezia („Zimtblüte“) nennt, nach einer der Töchter Hiobs. Dieser folgt er, da sie nicht noch einmal ausreisen darf, bald in die DDR, und begleitet dort ihr Sterben, denn sie leidet an Krebs.

Die Passagen in der DDR, der ganze, in klaren, sehr schönen Worten geschilderte Liebeskomplex zwischen Ottavio und Kezia gehört zu den stärksten Stellen des Romans. Gerade die Darstellung der Zerrissenheit Kezias, die einen künstlichen Darmausgang hat, und nun dem Geliebten als, wie sie es nennt, „Krüppel“ gegenübertreten muss, berührt sehr. Bussmann erspart seinen Lesern nicht, auch jene Passagen lesen zu müssen, in denen Ottavio an sich und seiner Liebe zweifelt, in denen er fliehen will vor dem Tod und der düsteren Macht, die dieser „andere Geliebte“ der Sterbenden verleiht. Doch auch die Verwirrung, in die das Leben in der grauen DDR einen eher unpolitischen Schweizer stürzt, ist wunderbar geschildert. Während Kezia stirbt und die Wohnung nicht mehr verlassen kann, geht die DDR zuletzt unter, doch die Liebenden bemerken dies nicht. Erst nach ihrem Tod erwacht Ottavio in der Wirklichkeit. Von da an will er die Wirklichkeit ergreifen.

Juan, dem sich Ottavio anvertraut, ist nicht überzeugt, er hält das Gerede von der großen Liebe für eine romantische Schwärmerei. Erst die weitere Entwicklung des Romans, in welcher Ottavio den rastlosen Unternehmer in sich entdeckt, stürzt Juan in Verzweiflung.

Rudolf Bussmann parodiert die Esoterik, die dem Denken der Manager zugrunde liegt, hervorragend. Auch gelingt es ihm, den immer fröhlichen Don Juan als den Kriecher zu zeigen, der er in Wahrheit ist. Auch der Tiefensucher Ottavio wird nicht geschont. Manchmal allerdings macht Bussmann seine Figuren etwas schlauer, als sie sein müssten, zwingt sie dann wieder dazu, quälend dumme Lebensweisheiten auszusprechen, auch ihr Geld scheinen sie allzu sehr nebenbei zu verdienen. Das aber ist nur ein kleiner Wermutstropfen bei der Lektüre dieses schönen Buches, mit dem der Germanist Rudolf Bussmann dem Ideal von der großen Liebe huldigt.

JÖRG SUNDERMEIER

Rudolf Bussmann: „Ein Duell“. Arche Verlag, Hamburg 2006, 233 Seiten, 18 Euro