Rot-Rot droht Mandatsverlust

ABGEORDNETENHAUS Wenn die künftige SPD-Ministerin Bilkay Öney ihren Parlamentssitz aufgibt, schrumpft die Regierungsmehrheit auf eine Stimme

„Es sind doch auch nur noch wenige Sitzungen bis zur Wahl“

SPD-FRAKTIONSSPRECHER METTER

Die Berufung der SPD-Abgeordneten Bilkay Öney zur Ministerin in Baden-Württemberg könnte die Mehrheit der rot-roten Koalition im Parlament auf eine einzige Stimme reduzieren. Öney ist vor zwei Jahren von den Grünen zur SPD gewechselt. Gibt sie wegen ihres Stuttgarter Regierungsamts ihr Abgeordnetenhausmandat auf, so fällt es aber an die Partei zurück, über die sie es erhalten hat, also die Grünen. Diese mochten daran noch nicht glauben: Verfassungsrechtlich sei es möglich, dass Öney das Mandat behalte, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Ein Sprecher der Südwest-SPD sagte, sie werde ihr Mandat abgeben, ließ den Termin aber offen.

Interviews, Vorstellung in der SPD-Fraktion, Pressekonferenz – die 40-Jährige hatte gut zu tun, als sie den Mittwoch an ihrem künftigen Arbeitsort verbrachte. Am 12. Mai soll sie in Stuttgart zur Integrationsministerin und damit zum ersten türkischstämmigen Regierungsmitglied des Landes werden – parallel zur Sitzung des Abgeordnetenhauses, dem Öney seit 2006 angehört.

Fünfmal tagt das Parlament noch bis zur Wahl am 18. September, zuletzt am 1. September. Wenn Öney nicht nur ihren Arbeits-, sondern auch ersten Wohnsitz nach Stuttgart verlegt, müsste sie ihr Mandat definitiv abgeben – nur Berliner können dem Abgeordnetenhaus angehören. Auch in diesem Fall stünde die rot-rote Mehrheit aber nicht auf der Kippe. Zwar gehören dann nur noch 75 von 149 Parlamentariern der SPD und der Linkspartei an, die Koalition kann aber auch auf den Abgeordnete Ralf Hillenberg bauen, der nach der Howoge-Affäre 2010 die SPD-Fraktion zwar verließ, der Partei aber weiter angehört. Zudem gibt es zwei weitere Fraktionslose. „Es sind doch auch nur noch wenige Sitzungen bis zur Wahl“, sagte SPD-Fraktionssprecher Thorsten Metter. Ganz große Entscheidungen stehen zudem nicht mehr an.

Von der Grünen-Landesliste würde Sebastian Basedow nachrücken. Falls der nicht mag, folgt die Fraktionschefin im Pankower Bezirksparlament, Stefanie Remlinger. Die könnte sich dann warmlaufen für die Zeit nach der Wahl: Remlinger steht auf einem sehr aussichtsreichen Platz der grünen Landesliste. Unattraktiv ist das Nachrücken auch als reine Stippvisite nicht: Auch in der sitzungsfreien Zeit im Sommer gibt es rund 3.200 Euro monatlich.

STEFAN ALBERTI