: Für Portugal wird es ernst
SCHULDENKRISE EU, EZB und IWF wollen dem hochverschuldeten Land mit 78 Milliarden Euro aushelfen. Dafür muss die kommende Regierung in Lissabon mächtig sparen
VON BEATE WILLMS
BERLIN taz | Portugal ist die Nummer drei. Nach Griechenland und Irland soll das südeuropäische Land Finanzhilfen von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) bekommen. Am Dienstagabend einigten sich die Unterhändler auf Kredite über 87 Milliarden Euro, die über drei Jahre laufen sollen. Zwei Drittel davon wollen die Europäer übernehmen, ein Drittel stemmt der IWF. Im Gegenzug muss die nächste portugiesische Regierung gleich nach den Wahlen Anfang Juni Spar- und Privatisierungsmaßnahmen anstoßen. Verabschiedet werden soll das Programm am 16. Mai von den EU-Regierungschefs.
Der sozialistische Premierminister José Sócrates war Ende März zurückgetreten, nachdem er keine weiteren Sparmaßnahmen mehr im Parlament durchsetzen konnte. Er bleibt aber bis zu einer neuen Regierung im Amt und hatte vor vier Wochen in Brüssel um Hilfe angefragt.
Der portugiesische Staat ist mit 160,4 Milliarden Euro verschuldet, das sind 93 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Tendenz steigend: 2010 lag die Neuverschuldung bei 9,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also der Summe aller im Land produzierten Waren und Dienstleistungen. Nach den Euro-Stabilitätskriterien sind 3 Prozent erlaubt. Vor allem aber wird es immer teurer, die Schulden zu refinanzieren. Musste Lissabon im Januar noch 6,8 Prozent Aufschlag für zehnjährige Staatsanleihen zahlen, waren es zuletzt über 11 Prozent. Das wäre spätestens am 15. Juni ein Problem geworden, wenn Anleihen über 7 Milliarden Euro fällig werden.
Allerdings blieb bis Redaktionsschluss unklar, wie teuer die Hilfe für Portugal wird: Wie viel Zinsen sind zu zahlen? Welche Auflagen gibt es? Sócrates erklärte, dass das Haushaltsdefizit etwas langsamer reduziert werden dürfe, als er ursprünglich geplant hatte: 2011 soll es auf 5,9 Prozent und bis 2013 auf 3 Prozent des BIP gesenkt werden. Darüber hinaus verkündete er nur, dass einige befürchtete Sparmaßnahmen nicht umgesetzt werden müssten: Weder werde man den Mindestlohn oder die niedrigsten Renten kürzen noch im öffentlichen Dienst Entlassungen durchsetzen.
Portugiesischen Medien zufolge soll aber die Einkommensteuer angehoben werden, die Höhe und die Dauer der Arbeitslosenunterstützung würden gekürzt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters muss Portugal zudem 5,3 Milliarden Euro durch Privatisierungen hereinholen. Die Konkurrenz dapd zitierte einen „Gewährsmann der EU“ damit, dass „Großprojekte wie der geplante Hochgeschwindigkeitszug zwischen Lissabon und Porto“ überdacht werden müssten. Solche Auflagen entsprächen auch dem Geist der bisherigen Rettungspakete.
Klar ist deshalb jetzt schon, dass die Portugiesen es in den nächsten Jahren schwer haben werden. Die Sparmaßnahmen schnüren die ohnehin schwächelnde Wirtschaft ein, zumal die Banken deutlich schlechter ausgestattet sind als im Rest Europas. Beobachter hatten deshalb auf eine höhere Geldspritze gehofft, die zu einem Teil in die Absicherung des Finanzsektors fließen könnte. IWF-Experten gehen davon aus, dass die portugiesische Wirtschaft in Folge der Auflagen in diesem und dem kommenden Jahr um jeweils 2 Prozent schrumpft.