: „Gesetz soll braunen Spuk zurückdrängen“
Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) will mit einer Verschärfung des Versammlungsrechts in seinem Land Rechtsextremisten besser bekämpfen. Ganze Innenstädte könnten für Demonstranten deshalb zur Sperrzone werden
GEERT MACKENROTH, 57, ist sächsischer Justizminister und war zuvor Chef des Deutschen Richterbundes.
taz: Herr Mackenroth, warum braucht Sachsen ein eigenes Versammlungsgesetz?
Geert Mackenroth: Weil wir hier ein ganz besonderes Problem mit Neonazis haben. Ich sage es ganz offen: Dieses Gesetz soll das rechtsstaatliche Werkzeug liefern, den braunen Spuk in Sachsen zurückzudrängen. Ich will ein Zeichen für die wehrhafte Demokratie setzen. Die Behörden sollen mehr Möglichkeiten haben, Versammlungen von Neonazis zu verbieten, wenn diese historische Plätze oder Feiertage für ihre Zwecke missbrauchen.
Warum wollen Sie zum Beispiel die Dresdner Frauenkirche vor Demonstrationen schützen?
Die Kirche war und ist ein Mahnmal für die Opfer des Krieges und ein Symbol der Aussöhnung. Sie wurde durch den alliierten Luftangriff auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 zerstört und erst nach der Wende wiederaufgebaut. Dort sollen keine Kundgebungen stattfinden, die die Würde der Kriegsopfer verletzen.
Dürfen Rechte künftig noch gegen alliierte Luftangriffe demonstrieren?
Die Behörde kann ihnen das im Einzelfall an diesem und ähnlichen Gedenkorten verbieten, wenn sie die Würde der Opfer verletzen. Wer nur gegen den „alliierten Bombenterror“ demonstriert und zugleich die Verantwortung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft für den Zweiten Weltkrieg verharmlost, verfälscht die Geschichte und verletzt die Opfer.
Sie wollen die ganze Dresdner Innenstadt zur geschützten Zone machen …
Die Woche um den Jahrestag des Luftangriffs sollte von Neonazi-Demonstrationen frei bleiben. Die NPD und ihre Helfer können an anderen Orten oder zu anderen Zeiten demonstrieren.
Zum Demonstrationsrecht gehört aber auch das Recht, einen wirkungsvollen Ort für sein Anliegen zu suchen. Gilt das in Sachsen nicht mehr?
Doch, selbstverständlich. Aber wenn es um die Würde der Opfer geht, muss es auch Ausnahmen geben. Denken Sie doch auch an die Menschen in Dresden, die jährlich eindrucksvoll und friedlich an die Opfer des Krieges erinnern. Da stehen Tausende mit Kerzen auf der Straße, und um 21.45 Uhr läuten die Glocken. Doch in diesem Jahr hat man die Glocken kaum gehört vor lauter Polizeisirenen, weil die Neonazis demonstrierten. Das nimmt uns unsere Erinnerungskultur und das mahnende Gedenken an die Opfer des Krieges.
Ostdeutsche Bürgerrechtler sagen, sie seien 1989 nicht dafür auf die Straße gegangen, dass nun das Demonstrationsrecht wieder eingeschränkt wird.
Das Demonstrationsrecht ist ein zentrales Merkmal der Demokratie. Aber der Rechtsstaat kann und soll sich gegen Missbrauch wehren: Wenn wir zum Schutz der Würde von Kriegsopfern bestimmte Orte vor extremistischem Missbrauch bewahren, dann ist davon die ganz große Masse der Kundgebungen gar nicht betroffen.
Für mehr Radwege dürfte man auch künftig vor der Frauenkirche demonstrieren?
Selbstverständlich.
Der Staat unterscheidet dann nach guten und bösen Demonstranten.
Es geht hier nicht um solche Wertungen, sondern um grundlegende Verfassungsprinzipien, den Schutz der Würde der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Wer mit der Menschenwürde argumentiert, kann so fast alle Grundrechtseingriffe rechtfertigen. Aber instrumentalisieren Sie nicht die Menschenwürde nur, um unerwünschte Bilder aus Sachsen zu verhindern?
Natürlich will ich auch den Ruf Sachsens vor Schaden bewahren. Das ist ein legitimes politisches Ziel. Wenn ich andernorts Minister wäre, wo es kein solches Neonazi-Problem gibt, wäre so ein Gesetz eventuell entbehrlich.
Geht es auch ums Geld? Sie würden mit einem solchen Gesetz ja auch die Kosten für den Schutz und die Kontrolle der Demonstranten sparen.
Nein. Ich will, dass der braune Unfug sich nicht mehr ungehindert an sensiblen Orten breitmacht und dabei das Demonstrationsrecht missbraucht.
INTERVIEW: CHRISTIAN RATH