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Archiv-Artikel

„Ohne Hilfe verlieren wir diese Schlacht“

DOKUMENTATION Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf appelliert an Deutschland: Unterstützt uns direkt im Kampf gegen die Ausbreitung von Ebola. „Nur Regierungen wie die Ihre haben die Ressourcen und Mittel“

„Dieser Gesundheitsnotstand bedroht die zivile Ordnung“

ELLEN JOHNSON SIRLEAF

Angesichts der dramatischen Ausbreitung von Ebola hat sich Liberias Präsidentin und Friedensnobelpreisträgerin Ellen Johnson Sirleaf an die Welt gewandt und um mehr Unterstützung gebeten. Briefe gingen nach Angaben des liberianischen Präsidialamtes an die Staats- beziehungsweise Regierungschefs von Australien, Brasilien, China, Deutschland, Indien, Japan, Kuba, Russland, Südafrika und der USA. Die taz dokumentiert den Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, datiert 9. September, leicht gekürzt. Das vollständige Schreiben ist dokumentiert auf: http://www.taz.de/Die-Ebola-Krise/!t31737/

Liebe Kanzlerin Merkel, […]

wie Sie inzwischen wissen, hat der Ebola-Ausbruch die von uns bislang versuchten Maßnahmen der Eindämmung und Behandlung überwältigt. Unsere begrenzten Ressourcen sind zum Zerreißen gefordert, und bis jetzt hat nur ein privates Hilfswerk, Ärzte ohne Grenzen (MSF), in allen betroffenen Ländern robust reagiert. Aber es ist auch an seine Grenzen gestoßen. Ohne mehr direkte Hilfe von Ihrer Regierung werden wir diese Schlacht gegen Ebola verlieren. […]

Unsere Bürger melden sich oder bringen ihre Angehörigen. Aber unsere Behandlungszentren sind überfordert. MSF leitet nun eine 160-Betten-Einrichtung, die weiter expandieren wird. Dies ist die größte Ebola-Behandlungseinrichtung in der Geschichte der Seuche, und selbst sie ist unzureichend. Um die Übertragungskette zu brechen, müssen wir die Kranken von ihren Familien und Gemeinschaft isolieren, aber das ist unmöglich, weil sie nirgendwo hingebracht werden können. Wir sind gezwungen worden, Kranke abzuweisen. Wir schicken sie nach Hause, wo sie ein Risiko für ihre Familien und Gemeinschaften darstellen. […]

In einem Land, das sich gerade erst von einer 30-jährigen Periode ziviler und politischer Unruhe gelöst hat, mit der Anwesenheit einer großen jugendlichen (zumeist arbeitslosen) Bevölkerung, darunter ehemalige Kindersoldaten, bedroht dieser Gesundheitsnotstand die zivile Ordnung. Was die Herzen noch mehr bricht, ist, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Gesundheitseinrichtungen wieder zu öffnen, weil verängstigte Mitarbeiter, die ihre Kollegen haben sterben sehen, Angst vor der Rückkehr an die Arbeit haben. […] Seuchen, die vor Ebola relativ leicht behandelt wurden, fordern nun Menschenleben. […]

Wir müssen bis zu 1.500 Betten in Ebola-Behandlungseinrichtungen in Monrovia bereitstellen. Wir müssen auch 10 zusätzliche Zentren in betroffenen Außendistrikten schaffen. Dies übersteigt alles, was wir allein schultern können. […]

Kanzlerin Merkel, Liberias Frieden und erhebliche wirtschaftliche Fortschritte über die letzten zehn Jahre sind zu einem hohen Preis entstanden. Während dieses ganzen Prozesses standen die Regierung und das Volk der Bundesrepublik Deutschland an unserer Seite. So beeindruckend unsere Fortschritte waren, so fragil bleiben sie, und dieser Ausbruch droht nun diese Fortschritte zu untergraben und rückgängig zu machen. Daher rufe ich Sie und das deutsche Volk direkt auf:

1. Dass die deutsche Regierung in Monrovia mindestens eine Ebola-Behandlungseinrichtung aufbaut und betreibt. Kanzlerin, bei der gegenwärtigen Übertragungsrate haben nur Regierungen wie die Ihre die Ressourcen und Mittel, um im nötigen Tempo zu handeln. […]

2. Dass die deutsche Regierung in mindestens zehn Nicht-Ebola-Krankenhäusern hilft, Grundversorgung und sekundäre Dienstleistungen wiederherzustellen. […] Momentan gibt es in Monrovia acht Krankenhäuser mit 50 bis 418 Betten. Im gesamten Land müssen wir mindestens eine große öffentliche Gesundheitseinrichtung wiedereröffnen, um Todesfälle durch behandelbare Krankheiten sowie Mütter- und Kindersterblichkeit zu verhindern.

3. Beibehaltung von Luftbrücken während der Seuchenbekämpfung. Dass nur noch zwei Fluglinien das Land anfliegen statt wie vor Ebola elf, erschwert zunehmend die Einreise von erfahrenem Personal und Ausrüstung ins Land. […]

Im Namen des liberianischen Volkes und in meinem eigenen möchte ich unsere aufrichtige Dankbarkeit für die bewährte Freundschaft und Partnerschaft zwischen unseren Ländern und Völkern ausdrücken.“

ELLEN JOHNSON SIRLEAF