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Archiv-Artikel

Albig verliert parteilose Germanistin

SCHLESWIG-HOLSTEIN Nach Betrugsvorwürfen tritt die Bildungsministerin Waltraud Wende zurück. Als ihre Nachfolgerin wird in Kiel jetzt Britta Ernst gehandelt – die Ehefrau von Olaf Scholz

HAMBURG taz | Am Ende war der Druck zu groß: Waltraud Wende, parteilose Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, geht. Sie stand seit Monaten wegen eines Rückkehrvertrags mit der Universität Flensburg unter Kritik. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob sie dabei unlautere Mittel anwandte, und beschlagnahmte Akten in Wendes Wohn- und Büroräumen.

Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) bedauerte den Rücktritt und forderte, das „hohe Gut der Unschuldsvermutung“ gelten zu lassen. Die Affäre hat auch ihn geschwächt, weil er Wende ins Kabinett geholt hatte und sie trotz des Verdachts auf Betrug und Bestechung verteidigte. Bei einer Sondersitzung des Parlaments hatten zwar noch alle drei Regierungsparteien im Kieler Landtag, SPD, Grüne und die Minderheitenpartei SSW, Albigs Kurs mitgetragen. Kritik an der Germanistin Wende war aber auch aus den Reihen der Regierung heraus laut geworden.

Nun muss eine Nachfolge gefunden werden – im Gespräch ist die Hamburgerin Britta Ernst, vermelden die Agenturen. Die 53-jährige Ehefrau von Bürgermeister Olaf Scholz war bereits 2009 für einen Kabinettsposten in Kiel im Gespräch. Derzeit arbeitet sie für die SPD-Bundestagsfraktion.

Waltraud Wende hinterlässt zahlreiche Baustellen. Mit Sonnenblumen beglückwünschte die Ministerin in den vergangenen Tagen Kinder und Lehrkräfte zum neuen Schuljahr – eine missglückte Charme-Offensive, die eher auf Kopfschütteln stieß. Ihre Arbeit litt unter dem Ermittlungsverfahren. So begrüßten die Oppositionsparteien den Rücktritt: „Wir hoffen, dass wir nun zu Sachfragen zurückkehren können“, sagte Sven Krumbeck (Piraten) der taz. Vor allem die CDU hatte sich auf Wende regelrecht eingeschossen. Für ihren jetzigen Entschluss gebühre ihr Respekt, so der Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen, der seine Kritik an Albigs Verhalten in der Affäre aufrechterhielt: „Er hat Opposition und Öffentlichkeit belogen.“ Auch Wolfgang Kubicki (FDP) stellt infrage, ob sich Albig erholen werde. SPD, Grüne und SSW dankten Wende für die geleistete Arbeit und wünschten Glück für die Zukunft.

Die ist unklar. Denn auf die Rückkehroption, mit der sie sich gegen das Scheitern in der Politik versichern wollte, hat Waltraud Wende bereits im Frühjahr verzichtet. Auch wenn die Ermittlungen sie freisprechen sollten – eine Professorenstelle in Flensburg wird sie sehr wahrscheinlich nicht antreten.

ESTHER GEISSLINGER