: Die Versuchung durch die Maus
Der Landesrechnungshof kritisiert, dass in Verwaltungen zu häufig für private Zwecke im Internet gesurft wird. Teilweise liegt der Anteil der dienstlichen Nutzung bei gerade einmal 17 Prozent
Die rechtliche Grundlage für die Prüfung des PC-Nutzerverhaltens und die Rückverfolgung von Datenspuren bilden die Landeshaushaltsordnung und das Rechnungshofgesetz (RHG). Laut Paragraf 13 RHG ist den Prüfern „auf Verlangen der Zutritt zu allen Räumen zu gestatten; außerdem sind Behältnisse auf Verlangen zu öffnen“. Dementsprechend dürfen die Beauftragten des Berliner Rechnungshofes grundsätzlich alle Daten der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe kontrollieren. Die Prüfung erfolgt stets anonym. Praktisch funktioniert dies so, dass seitens des Landesrechnungshofes bestimmte Behörden und Verwaltungen festgelegt werden und aus deren PC-Gesamtbestand eine gewisse Anzahl von Computerarbeitsplätzen ausgewählt wird. Aus Datenschutzgründen wissen die Prüfer dabei nicht, welche Personen normalerweise an diesen Rechnern arbeiten; weder berufliche Stellung noch Geschlecht der Nutzer sind bekannt. Durch die auf jedem Computer zurückbleibenden und von Spezialisten nachvollziehbaren Datenspuren überprüft dann ein Team für einen repräsentativen Zeitraum (zum Beispiel 14 Tage) anhand der festgestellten Zugriffe das Nutzerverhalten. Das Ergebnis wird anschließend – wiederum anonymisiert – mit einer entsprechenden Aufforderung zum Handeln versehen und an die geprüfte Behörde weitergeleitet. Otto Diederichs
VON OTTO DIEDERICHS
Der Landesrechnungshof hat erhebliches Fehlverhalten bei der dienstlichen Nutzung des Internets in der Verwaltung festgestellt. Dies geht aus einem internen Bericht hervor, der gegenwärtig zur Stellungnahme in den betroffenen Behörden kursiert und auch der taz vorliegt. Bei der 2004 begonnenen Prüfung kam heraus, dass das Internet teilweise bis zu zwei Drittel der Zeit privat genutzt wurde.
Von der Senatskanzlei bis hin zu einzelnen Bezirksämtern hatten die Prüfer das Nutzungsverhalten und die IT-Sicherheit unter die Lupe genommen und dabei auch die aufgerufenen Internetadressen nachvollzogen. Die Trennung zwischen privater und dienstlicher Nutzung ist bei den meisten Behörden gar nicht oder nur unzureichend geregelt; in einigen ist der private Gebrauch sogar gestattet. Dennoch ist der geringe Umfang der beruflichen Nutzung erstaunlich: Die Quote der dienstlichen Bezüge beim Surfen macht lediglich zwischen 17 und 43 Prozent aus – obwohl der Rechnungshof bei der Prüfung großzügig verfuhr.
So wurden Zeitungen, Nachrichtenmagazine und TV-Sender generell als dienstlich notwendig unterstellt. Bei Kreuzworträtseln, Horoskopen und Ähnlichem aber konnten auch die kulantesten Prüfer dies nicht mehr erkennen. Dazwischen gab es einen Bereich, der nicht eindeutig klassifizierbar war.
Die geringste Arbeitsbelastung haben demnach offenbar die MitarbeiterInnen des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf. Mit 64 Prozent verwenden sie das Internet am häufigsten für Privatangelegenheiten. Auch im Haus von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sind mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller Aufrufe privater Natur. Bei allen geprüften Dienststellen wurden zudem Seiten mit nackten Mädchen „in beachtlicher Menge“ gezählt.
Insgesamt verfügen die Verwaltungen Berlins über schätzungsweise rund 60.000 bis 70.000 Computer mit Internetanschluss. Durch die missbräuchliche Verwendung von Arbeitszeit und Internetnutzung der Staatsdiener entstehen dem Land jährlich Kosten im Bereich von „deutlich über 50 Millionen Euro“, so der Bericht. Der Landesrechnungshof erwartet daher, dass die Innenverwaltung die zur Zeit unterschiedlichen Regelungen bei der Verwaltung einheitlich regelt und „die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz untersagt“.
Doch der Bericht, der Mitte Mai veröffentlicht werden soll, birgt darüber hinaus Brisantes. Mindestens ein Beamter könnte sich bei der Nutzung seines Dienstanschlusses strafbar gemacht haben. „In zwei Fällen waren Kontakte mit dem Landeskriminalamt erforderlich, da bei Prüfungen Seitenaufrufe festgestellt wurden, deren Inhalte möglicherweise strafrechtsrelevant gewesen wären“, heißt es dort. Nach taz-Informationen handelt es sich in einem Fall um Webseiten mit Kinderpornos, die bei einem Beamten des damaligen Schulsenators Klaus Böger (SPD) gefunden wurden, sowie um sodomitische Seiteninhalte bei einem Mitarbeiter der Innenverwaltung. In beiden Fällen hatten die Rechnungsprüfer zudem die Dienstherren aufgefordert, disziplinarische oder arbeitsrechtliche Schritte zu prüfen.
In der Innenverwaltung ist die verantwortliche Person selbst jedoch unbekannt geblieben. Da allein die Betrachtung solcher Schmuddelbilder ebenso wie die normaler Pornografie nicht strafbar ist, musste man sich mit „einer Ermahnung an alle Vorgesetzten“ begnügen, genauer auf das Nutzungsverhalten ihrer MitarbeiterInnen zu achten.
Bei Kinderpornografie verhält es sich anders. Laut Polizei ist der Hinweis des Rechnungshofes aber dem entsprechenden Kommissariat nicht mehr bekannt. Als einzig denkbare Erklärung hierfür wird vermutet, dass der Fall vor einer Gesetzesänderung vom Frühjahr 2005 stattfand, als die bloße Betrachtung von Kinderpornografie noch nicht strafbar war und die Polizei somit gar nicht einschreiten konnte.
Anders bei der Schulverwaltung selbst. Doch dem Vernehmen nach ist dort wenig geschehen. So soll der mutmaßlich Verantwortliche zwar bekannt geworden sein. Er habe auf Befragen seinerzeit aber erklärt, er habe einem Untergebenen sein Passwort mitgeteilt. Dieser müsse somit wohl für die inkriminierten Zugriffe verantwortlich sein. Durch eine rasche personelle Rochade habe das Problem als gelöst gegolten, heißt es.