: „Wir halten durch und halten durch“
Der FC Chelsea erreicht mit einem knappen 2:1 gegen den FC Valencia das Champions-League-Halbfinale. Und Trainer José Mourinho kann seine vermeintlich beschlossene Entlassung vorerst abwenden
VALENCIA ■ taz Es kommt ständig etwas dazwischen im Leben eines berühmten Fußballtrainers, und der Portugiese Mourinho muss mit dem englischen Meister FC Chelsea in zwei Wochen nun doch dieses Champions-League-Halbfinale spielen. Er hatte, nachdem es im Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Valencia nur zu einem 1:1 reichte, bereits alternative Pläne für den Termin gemacht: „Falls wir nicht ins Halbfinale kommen, gehe ich halt mit meinen Kindern zum Wrestling im Earls Court.“
Chelseas 2:1-Sieg im Rückspiel in Valencia, dramaturgisch angemessen durch ein Tor von Michael Essien in der letzten Spielminute bewerkstelligt, beraubte Mourinhos Kinder des seltenen Abendvergnügens mit dem Vater. Doch dem Millionenpublikum des Fußballs gab er eine Fortsetzung des großen Schaukampfs dieser Saison: José Mourinho, wie er versucht, seine vermeintlich beschlossene Entlassung durch die Eroberung der Champions League abzuwenden. Nach drei Jahren grenzenlosen Investments in die Elf ist Chelseas Besitzer Roman Abramowitsch der Triumph im wichtigsten Vereinswettbewerb offenbar nicht nur ein Wunsch, sondern eine Pflicht.
Wie der öffentliche Druck Fußballtrainer zerbricht, ist auch eine Art Schlammwrestling das voyeuristische Vergnügen der Mediengesellschaft. Auf Mitleid kann Mourinho schwerlich hoffen, zu sehr hat er sich in Erfolgszeiten bewusst als Großkotz inszeniert. Nun, gestresst, vollzieht Mourinho die merkwürdigste Wandlung. Er wird fatalistischer, lustiger. Diese Woche der Erleichterung, in der seine Elf in der nationalen Liga den Rückstand auf Tabellenführer Manchester United auf drei Punkte minimierte und das an die Wand geschriebene Champions-League-Aus abwendete, wäre eine gute Gelegenheit gewesen, polternd zurückzuschlagen. Doch sie brachte so etwas wie Demut bei Mourinho hervor. Nachts in Valencia gab er erstmals seine delikate Lage zu: „Ich möchte bei Chelsea bleiben. Aber im Leben bekommst du nicht immer, was du willst.“
Er redet auch im dritten Jahr in London noch das Englisch eines italienischen Mafia-Paten, abgehakt, raunzend. Es ist die Sprache, die auch seine Elf auf dem Rasen spricht. Ohne Sinn für Schönheit, knurrend. Obwohl die Partie viele großartige Zutaten hatte – eine den Verstand raubende Parade von Valencias Torwart Santiago Cañizares bei einem Kopfball von Michael Ballack, der unaufhörliche Zweikampf zweier Giganten, Fabián Ayala gegen Chelseas Stürmer Didier Drogba – so wird das Spiel nicht in Erinnerung bleiben. Vielleicht weil Chelseas Spiel nie für die Ewigkeit taugt?
Passkombinationen existieren nicht. Der Ball wird schnellstmöglich nach vorne geleitet, auf Genauigkeit kommt es dabei nicht an, nur auf Tempo; sie sind sich sicher, dass den freien Ball aufgrund ihres Positionsspiels und ihrer Laufstärke fast immer ein Chelsea-Spieler gewinnt. So ruckelt und zuckelt Chelseas Spiel, es herrscht der halbhohe Ball. Derart dominierten sie die zweite Halbzeit von Valencia in einer erschlagenden Klarheit, woran Ballack, der Kapitän der deutschen Nationalelf, seinen Anteil hatte. „Eine Barbarei, was die rennen“, staunte Valencias Joaquín Sánchez.
Chelsea ist Mourinho. Die Nacht hatte es bestätigt. Aber der Bedrängte lobt sich nicht mehr selbst. „Wir halten durch und halten durch und halten durch“, sagte Mourinho zur Spielweise seines Teams – oder redete er über sich selbst? Der Viertelfinaltriumph hat ihn nur vorgelassen zur nächsten Probe auf Alles oder Nichts, im Halbfinale gegen Liverpool. RONALD RENG