DIE STIMMEN DER ANDEREN :
Süddeutsche Zeitung
Gaddafi-Geld für Rebellen
Wenn westliche und arabische Länder einen Sonderfonds einrichten, dann ist dies ein klares Signal an die Aufständischen, dass sie in ihrem Kampf weiterhin nicht allein sind. Die Geldgeber sind damit aber auch gewissermaßen aus dem Schneider, weil sie nicht entscheiden müssen, was mit den Euros und Dollars geschieht. Wenn die Rebellen damit Waffen kaufen, ist das ihre Sache. Das Beste wäre es, den Fonds aus den gesperrten Gaddafi-Konten in aller Welt zu speisen. […] Das hätte den Vorteil: Die Rebellen bekämen ausreichend Hilfe – und Gaddafi selbst würde für die Befreiung seines Landes von der langen Diktatur bezahlen. Das wäre nur gerecht.
Der Standard (Österreich)
Ohne die USA geht es nicht
Die Einzigen, die die Lage entscheidend beeinflussen können, sind die Amerikaner. Mit ihrer Strategie der Zurückhaltung wollten sie bisher nicht nur ihre Kräfte schonen, es ging auch darum, den Europäern – allen voran den Franzosen – vorzuführen, dass die europäische Sicherheitspolitik noch immer von den US-Streitkräften abhängt. Das ist ihnen nach nur wenigen Wochen Militärkampagne eindrucksvoll gelungen. […] Die Frage ist, wie lange die Operation „Odyssey Dawn“ noch dahinplätschern kann, ohne dass Europa und letztlich auch die Vereinigten Staaten eine schmerzliche Niederlage erleiden. Die Frage ist weiter, wie lange die eigentlichen Adressaten der Intervention, die Zivilisten etwa in Misurata und Zintan, dem Druck der Gaddafi-Schergen noch standhalten können. Gibt es einen größeren Zynismus, als einem Massaker unter einer Flugverbotszone tatenlos zuzusehen?
Dagens Nyheter (Schweden)
Morde in Syrien stoppen
Nur weil die Welt nicht alles richten kann, darf Passivität nicht zu einem Prinzip werden. Nur weil es richtig war, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten, bedeutet das nicht, das man so etwas über allen anderen Diktaturen einrichten muss. Außenpolitik basiert auf Bewertungen, nicht auf Wunschdenken. Gleichzeitig muss aber der Druck auf Syrien mit zuträglichen Mitteln aufrechterhalten werden. Die USA und die EU waren zu unentschlossen, als es darum ging, Verträge zu lösen und Assad und seine Mörder zu bestrafen. Gewiss sind Sanktionen eine stumpfe Waffe. Umso jämmerlicher ist es, dass noch nicht einmal die geringsten Sanktionen beschlossen wurden und die Handlanger des Regimes weitermorden können. Sie sollten wissen, dass ein internationales Gericht auf diejenigen wartet, die erbarmungslos auf das eigene Volk schießen.
Gruppe namhafter Persönlichkeiten des Europarats (Joschka Fischer, Emma Bonino, Timothy Garton Ash, Martin Hirsch, Danuta Hübner, Ayse Kadioglu, Sonja Licht, Vladimir Lukin and Javier Solana)
Zusammenleben in Europa
Kulturelle Vielfalt ist seit Jahrhunderten ein Kennzeichen Europas. Sie war die Quelle vieler bedeutender Errungenschaften unseres Kontinents – doch wenn falsch mit ihr umgegangen wurde, hat sie auch Anteil gehabt an seinen größten Katastrophen. Diese Vielfalt ist in den letzten Jahrzehnten gewachsen – und wird das auch weiter tun. […]
Wir brauchen ein selbstbewußtes Europa, das Vielfalt begrüßt und multikulturelle Identitäten akzeptiert. Wenn jemand Afro-Amerikaner sein kann oder Italo-Amerikaner – warum nicht auch Tükisch-Deutscher, Nordafrika-Franzose oder asiatischer Brite? Das ist möglich, aber nur wenn alle dauerhaft hier Ansässigen als Bürger anerkannt und gleichbehandelt werden. […] Immigranten dürfen nicht gezwungen werden, ihren Glauben, ihre Kultur und Identität aufzugeben. […] Regierungen haben das Recht und die Pflicht, Einwanderung zu steuern, aber Asylsuchende und Migranten, die nach Europa kommen, sollten fair und human behandelt werden, mit Solidarität und Lastenteilung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Der Europarat und die EU sollten zusammenarbeiten für eine gesamteuropäische Immigrationspolitik. Unseren Nachbarn im Mittleren Osten und in Nordafrika muss die Chance zur Beteiligung mit einem angemessenen Status in den Europäischen Institutionen geboten werden. Wenn wir diesen Weg einschlagen, dann wird Europa ein besserer und hoffnungsvollerer Ort sein als heute – davon sind wir überzeugt.