VER.DI WILL DIE ÜBERHOLTE STRUKTUR DER TELEKOM RETTEN
: Privilegien und Tabus

Wenn das Wort Telekom fällt, macht sich Empörung breit: bei genervten Kunden, enttäuschten Kleinaktionären, wütenden Beschäftigten. Das ehemalige Staatsunternehmen ist zu einem Symbol für Inkompetenz und Ungerechtigkeit geworden. Momentan fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf die Telekom-Mitarbeiter, die mit Warnstreiks drastische Lohnkürzungen abwehren wollen. Mindestens 500 Millionen Euro Personalkosten will der Telekom-Vorstand jährlich sparen. Deshalb sollen rund 50.000 Mitarbeiter in drei Service-Gesellschaften ausgegliedert werden. Da kommt spontanes Mitleid auf.

Doch so eindeutig sind die Ungerechtigkeiten nicht verteilt. Die Telekom ist auch ein Symbol dafür, wie diffus moralische Urteile im globalisierten Kapitalismus ausfallen können. So hat die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mit anderen Telefondienstleistern Tarifverträge abgeschlossen, die weit unter den Telekom-Löhnen angesiedelt sind. Niedrige Personalkosten bedeuten niedrige Preise – die Telekom-Kunden wechseln in Scharen zur billigeren Konkurrenz.

Die Gewerkschaft hat an einer seltsamen Hierarchie mitgewirkt: Mitarbeiter eines normalen Callcenters tragen bei geringem Lohn das volle Arbeitsplatzrisiko, während die Telekom-Crew bei deutlich höherem Gehalt auch noch eine Beschäftigungsgarantie erwartet. Doch auch in der Telekom geht es ungerecht zu: 40 Prozent sind Beamte und damit unkündbar. Letztlich werden also vor allem ihre angestellten Kollegen bluten müssen, damit die Telekom wieder konkurrenzfähig wird.

Dieses Chaos von Privilegien und Tabus ist nicht mehr zeitgemäß. Denn der Kunde wird immer dorthin wandern, wo es am billigsten ist. Ein letztlich globaler Wettbewerb braucht globale Lösungen – wie in Schweden. Dort ist es unstrittig, dass unprofitable Firmen ihre Mitarbeiter entlassen. Sonst wären sie ja Pleite. Aber den Gekündigten wird nicht mit Hartz IV gedroht. Es gilt als selbstverständlich, dass sich die Gesellschaft um die Arbeitslosen zu kümmern hat. Schließlich haben sie durch ihren Jobverlust dafür gesorgt, dass ihre Betriebe konkurrenzfähig bleiben. Diese Leistung wird zu Recht honoriert. ULRIKE HERRMANN