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Archiv-Artikel

„Rote Zora“-Aktivistin legt Geständnis ab

Rund 20 Jahre nach zwei versuchen Sprengstoffanschlägen steht eine der mutmaßlichen Täterinnen vor Gericht. Adrienne G. gesteht, in die Vorhaben der Terrorgruppe „Rote Zora“ verwickelt gewesen zu sein. Dafür darf sie auf eine milde Strafe hoffen

AUS BERLIN CHRISTOPH VILLINGER

Beim Betreten des Kammergerichts in der Berliner Elßholzstraße war gestern noch alles wie früher bei sogenannten Terroristenverfahren: penible Taschenkontrollen und Leibesvisitationen für die Zuschauer. Doch im Saal spielten sich die Beteiligten gleich beim Auftakt zum Prozess gegen Adrienne G. die Bälle zu.

Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft der 58-Jährigen vor, Mitglied der „Roten Zora“ gewesen zu sein, die sich zwischen 1977 und 1988 zu 45 Brand- und Sprengstoffanschlägen bekannte. Konkret soll die Angeklagte sich an zwei versuchten Sprengstoffanschlägen 1986 gegen das Gentechnische Institut in Berlin beteiligt haben, mit denen die „Rote Zora“ gegen die Genforschung protestieren wollte. Außerdem wird Adrienne G. vorgeworfen, 1987 an einem Anschlag auf ein Gebäude des Bekleidungskonzerns Adler bei Aschaffenburg teilgenommen zu haben. Die „Rote Zora“ wollte ihre Solidarität mit streikenden Firmenarbeiterinnen in Südkorea bekunden, hieß es vor Gericht.

Sofort nach der Verlesung der Anklageschrift gab Jürgen Warnatsch als Vorsitzender Richter eine Erklärung ab. Seit November habe es Gespräche zwischen dem Senat, der BAW und einer Anwältin der Angeklagten gegeben. Falls Adrienne G., nach der die Polizei 19 Jahre lang ergebnislos fahndete, sich freiwillig einem Verfahren stelle und sich zu ihren Taten glaubhaft bekenne, wolle die BAW die Anklage auf die Mitgliedschaft und die zwei Anschläge beschränken. Und der Senat versprach, eine Strafe von maximal zwei Jahren auf Bewährung anzustreben. „Bisher sehe ich keinen Grund, von den Zusagen abzuweichen“, so Warnatsch.

Denn bereits bei der Verkündung des Haftbefehls Anfang Dezember hatte Adrienne G. gegenüber dem Haftrichter beim Bundesgerichtshof Stellung zu den Vorwürfen genommen. Gestern wiederholte ihre Anwältin Edith Lunnebach ihre Einlassung, in der sich die Fotografin Adrienne G. zu ihrer Mitgliedschaft in der „Roten Zora“ sowie zum Kauf von zwei bei den Anschlägen als Zeitzünder verwendeten Weckern bekannte. Da von der Sache her nichts mehr strittig war, konnte Richter Warnatsch an alle Prozessbeteiligten eine Liste mit Aktenseiten aus dem umfangreichen Prozessstoff verteilen, die im „Selbstleseverfahren“ zu studieren seien. Nach einer Stunde war der Prozess beendet. Das Urteil soll am Montag verkündet werden.