: Islamischer Aussöhner mit Schutzengel
Die Bombe von Algier, die ein Selbstmordattentäter in den Amtssitz des Ministerpräsidenten lenkte, galt Regierungschef Abdelasis Belkhadem höchstpersönlich. Doch der 61-Jährige kam unversehrt davon. Mit Belkhadem wollte al-Qaida Maghreb die rechte Hand und den wahrscheinlichen Nachfolger von Präsident Abdelasis Bouteflika beseitigen. Wäre das gelungen, wäre Algerien in eine tiefe Krise gestürzt.
Keiner hat Bouteflikas Politik der Aussöhnung mit den Islamisten nach dem langjährigen Bürgerkrieg so unterstützt wie der Wirtschaftswissenschaftler Belkhadem – zuerst als persönlicher Berater des Präsidenten und Chef der ehemaligen Einheitspartei FLN und seit Mai 2005 als Ministerpräsident. In den letzten Jahren kehrten Tausende von islamistischen Untergrundkämpfern in die Gesellschaft zurück. Die Armee des Islamischen Heils, der bewaffnete Arm der Islamischen Heilsfront (FIS), legte die Waffen nieder. Die radikaleren Islamischen Bewaffneten Gruppen (GIA) lösten sich auf. Tausende von Inhaftierten kamen nach und nach frei, exilierte FISler durften in ihre Heimat zurück. Nur eine Organisation nahm das Angebot zur Aussöhnung nicht an, die Salafistischen Gruppen für Predigt und Kampf (GSPC). Sie bekannten sich unter dem neuen Namen al-Qaida Maghreb zum Attentat mit mindestens 33 Toten.
Nach dem Anschlag schrieb die El Watan: „Die Zeit der ausgestreckten Hand ist vorbei. Es ist an der Zeit, dass der algerische Staat ein für alle Mal den Terrorismus ausrottet.“ El Watan spricht für das moderne, laizistische Algerien, das nie Gefallen an Belkhadem fand. Der Mann, der seit 1964 hohe Partei- und Staatsämter innehat, ist einer der herausragenden Repräsentanten des islamisch-konservativen Flügels der FLN und damit der alten politischen Klasse. Es war Belkhadem, der 1984 dafür sorgte, dass die FLN ein an den Koran angelehntes Familienrecht einführte, das den Frauen jede Freiheit nimmt. Und er war es auch, der Anfang der 90er mit dem Feuer spielte, in dem er den Machtverlust bei den ersten freien Wahlen im Dezember 1991 dadurch verhindern wollte, dass er auf die Islamisten zuging. Sie sollten, so seine Idee, als Juniorpartner die alte Garde der FLN retten. Der Plan ging schief, die FIS gewann, die Wahlen wurden von der Armee vor dem zweiten Durchgang abgebrochen.
Es kamen die dunklen Jahre für Belkhadem. Er musste mitansehen, wie junge Technokraten im Dienste der Armee das Land übernahmen. Bis Bouteflika ihn zum Vollstrecker der Aussöhnungspolitik ernannte. Jetzt holt ihn seine Vergangenheit nur einen Monat vor den nächsten Wahlen wieder ein. REINER WANDLER
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