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Archiv-Artikel

Wahlen und Referenden

ANALYSEN Gleich in drei Bundesländern konnte die rechte Alternative für Deutschland punkten. Nun wird über die Interpretation des Ergebnisses gezankt. In Schottland scheiterten derweil die Freunde der Loslösung vom Empire. Ist das gut oder schlecht?

Trend nach rechts

■ betr.: „Merkel im Glück“, taz vom 16. 9. 14

Der Trend hält nach rechts an, auch in der Bundesrepublik, wie zuvor bei den europäischen Nachbarn. Die fast 10 Prozent, die bei der Bundestagswahl wegen der Fünfprozentklausel unter den Tisch fielen, haben einen Hafen gefunden. Wer fühlt sich nicht überfordert bei der Zunahme globaler wie regionaler Unübersichtlichkeit? Da haben Parteien, die uns nicht mit Projekten behelligen, weil sie nichts ändern wollen (CDU) und populistisch autoritäre Vereinfacher (AfD) Zulauf. Die SPD als ausgleichende, aber nicht zupackend verändernde Kraft, war nicht in der Lage, die „linken“ Kräfte zu sammeln. So zerbröckelt dieser Block. Rötlich, Rot, Grün müsste sich beweisen wollen, doch da ist seit Ypsilanti die SPD vor, weil sie keine Ideen entwickelt, sondern ausgleicht und damit dem Rechtsdrall nachgibt. Über die Erwartung Albrecht von Luckes, dass sich die EU erholt, bin ich erfreut, kann sie leider nicht teilen. Dem Kaputtalismus steht ein dahinsiechendes Ende bevor, weil Politiker aller Couleur nicht bereit und in der Lage sind, der Wirtschaft Richtlinien zu geben, sondern sich ihr anzupassen à la Merkel: „Wir müssen unsere Demokratie marktkonform machen“. KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Das ist putzig

■ betr.: „Rechter Populismus angekommen“, taz vom 16. 9. 14

Leider analysiert auch die taz am Kern des AfD-Problems vorbei! Mitnichten ist diese Partei als Sammelbecken für xenophobe, zu kurz gekommene Wutbürger angetreten. Das Gründungspersonal besteht aus gebildeten, wohl situierten Mittelschichtlern. Diese Leute als apolitische, rechtsradikale Wirrköpfe abzuqualifizieren, heißt, die Augen vor den wahren Hintergründen zu verschließen. Nicht umsonst speist sich der Erfolg der AfD (auch) aus dem Misserfolg der FDP. Frau Merkel hat schon recht, dass das beste Mittel gegen die AfD eine gute Regierungsarbeit wäre.

Die AfD hatte zunächst aufhorchen lassen mit Forderungen nach einer Verkleinerung des Bundestages, Aufhebung des Fraktionszwangs, Beendigung der Einflussnahme von Lobbyisten auf die Politik. Allesamt klassische Aufreger auch in links-ökologischen Kreisen. Hat schon mal jemand die AfD gefragt, wie sie’s mit den Karenzzeiten für den Wechsel von Politikerinnen in die Wirtschaft hält und was sie zu den Freihandelsabkommen TTIP und Ceta sagt?

Die Anmerkung eines ehemaligen Mitglieds der AfD, die Partei sei europakritisch, aber durchaus liberal gestartet, die Öffnung nach extrem rechts folge wahltaktischen Überlegungen, inzwischen habe die Parteiführung womöglich die Kontrolle über dieses Abdriften verloren, hat einiges für sich. Dass die Pfälzerin Julia Klöckner (CDU) behauptet, der Erfolg der AfD speise sich aus der geschürten Angst vieler BürgerInnen vor sozialem Abstieg, ist putzig. Wie lautet das Mantra der Kanzlerinnenpartei: „Damit Deutschland vorn bleibt – CDU!“ Was ist das bitteschön anderes als das Schüren von – berechtigten – Ängsten vor einem Abstieg, falls Mutti Merkel es nicht mehr richtet?

Allenthalben wird über das Verschwinden der Mittelschicht lamentiert. Wer bietet dieser Bevölkerungsgruppe, die sicherlich überproportional nach wie vor brav wählen geht, Antworten auf brennende Fragen? Wenn Herr Kleber im „heute-journal“ zur besten Sendezeit Steilvorlagen für Herrn Lucke liefert mit der Frage nach der Polizei und dem Bundesinnenminister, wenn die taz und andere Medien die WählerInnen der AfD undifferenziert in die rechtsradikale Ecke stellen, statt ernsthaft nach den Gründen für das erschreckend erfolgreiche Abschneiden dieser Partei zu suchen, dann wird ihr Siegeszug kaum aufzuhalten sein. Dabei liegt es offen zutage, dass die neoliberale Politik seit der Wende für die Veränderung der politischen Landschaft in Deutschland unmittelbar verantwortlich ist.

Vor einem Jahrhundert boten die Nationalsozialisten vermeintliche Zuflucht für eine verunsicherte Bevölkerung. Auch damals versuchte der etablierte Politikbetrieb vergeblich einen Spagat zwischen Diffamierung und der Ankündigung, der Spuk werde bald vorbei sein.

Medien und Politik haben es in der Hand, klare Analysen zu erstellen und daraus Veränderungen abzuleiten und zu fordern. Dereinst wird man sie – zu Recht – dafür verantwortlich machen, wenn sie sich weiterhin weigern zu erkennen, woher das Phänomen AfD rührt. Es auf einen Haufen testosterongesteuerter Phrasendrescher zu reduzieren, wie jetzt nach den Wahlen in den östlichen Bundesländern, ist falsch – und gefährlich! Bei der Europawahl am 25. Mai 2014 erhielt die AfD in Baden-Württemberg 7,9 Prozent. Im am selben Tag gewählten Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart ist die AfD immerhin auch mit drei von 60 Sitzen vertreten.

SABINE REICHERT, Stuttgart

Ossis streicheln

■ betr.: „Von ostdeutschem Frust“, taz vom 16. 9. 14

Ich danke Daniel Schulz für seine scharfsinnige Analyse der Wahl in Thüringen und Brandenburg. Als eine „in der DDR nicht komplett unglückliche“ Ostdeutsche (bravo, gelegentlich habe ich damals tatsächlich auch gelacht!), die jetzt nur „an der richtigen Stelle gestreichelt“ werden muss und also „billig zu haben“ ist, falle ich – ohne mein Kreuz bei der AfD zu machen – schon mal aus dem zusammengestümperten Rahmen heraus.

Allerdings würde ich gern wissen, welche Argumente Daniel Schulz aus dem Hut zaubert, wenn die AfD in die Landtage der westlichen Bundesländer einzieht. Nach seiner Lesart wäre der „Altbundesdeutsche“ ja demnach nicht so leicht von rechtspopulistischen Streicheleinheiten zu überzeugen.

Schon mal drüber nachgedacht, dass jede Kraft auch Gegenkräfte, und seien sie noch so unerwünscht, hervorruft? Schon mal gecheckt, dass im sogenannten vereinten Europa die nationalistischen Bestrebungen zunehmen, dass es überall kocht und brodelt? Wenn die heiligen Kühe des Establishments dem durchaus vielgestaltigen Crashkurs nicht bald wirksam gegensteuern – bei all ihrer Selbstgefälligkeit wüsste ich allerdings kaum wie! –, dann sollten wir uns allmählich vom demokratischen Kuschelzoo verabschieden. JUTTA KRAUSS, Eisenach

Reden lassen

■ betr.: „Radikaler Frust“, taz.de vom 17. 9. 14

„Es bringt nichts, der AfD hinterherzulaufen“, sagte NPD-Chef Udo Voigt der taz. „Wir brauchen klare Worte statt einer seriösen Politik, die uns eh keiner abnimmt.“ Sehr schön, keine Ahnung was den Typen dazu gebracht hat, der taz ein Interview zu geben, aber es beweist, dass der Boykott der falsche Umgang mit den Spinnern ist: Man muss sie nur reden lassen und das vor einem möglichst großen Publikum. Schneller kann man den Verein nicht demontieren. Questor, taz.de

Anekdoten

■ betr.: „Ein stummer Schrei nach Liebe“, taz.de vom 16. 9. 14

Leider habe sehr viele Menschen unterschiedlichsten Alters und aus allen sozialen Schichten die AfD gewählt – eine Partei, in der Positionen wie die Einschränkung des Wahlrechts für „Unproduktive“ prominent vertreten werden. Damit muss sich Demokratie auseinandersetzen. Dieser Artikel trägt dazu überhaupt nicht bei. Er bringt weder eine begründete Analyse noch Informationen. Anekdoten, Pseudo-Psychologie, Verkürzung. JOCHEN SCHMIDT, taz.de