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Archiv-Artikel

Sadr schwächt Maliki

AUS KAIRO KARIM AL-GAWHARY

Seine Partei war immer schon das schwarze Schaf in der irakischen Regierung, jetzt zieht der Schiitenprediger Muktada al-Sadr seine Minister ganz aus dem Kabinett ab. Damit verliert Regierung des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki einen wichtigen Koalitionspartner. Sechs dem Sadr-Block zugehörige Minister reichten gestern ihren kollektiven Rücktritt ein. Ihr Fraktionsvorsitzender Nassar al-Rubai begründete die Entscheidung der Sadr-Bewegung mit der Weigerung des Ministerpräsidenten, einen Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen vorzulegen. „Die Anordnung an unsere Minister, zurückzutreten, ist im öffentlichen irakischen Interesse“, heißt es dazu in einer Erklärung des untergetauchten Muktada al-Sadr.

Die Regierung sollte nun die frei gewordenen Ämter mit verantwortungsvollen unabhängigen Ministern besetzen, „die dem Interesse des Landes und der Iraker dienen“, heißt es dort weiter. Doch ganz wollte al-Sadr die Brücken zur Macht offensichtlich nicht abbrechen. Trotz des Auszugs seiner sechs Minister aus dem 30-köpfigen Kabinett werden die 32 Abgeordneten seines Sadr-Blocks weiterhin im 265 Sitze umfassenden Parlament verbleiben.

Fraglich ist auch, wie lange der Sadr-Block an seiner Entscheidung festhält. Erst im Januar hatte al-Sadr einen zwei Monate andauernden Boykott der Parlamentssitzung unspektakulär beendet, mit der seine Bewegung gegen ein Treffen al-Malikis mit dem US-Präsidenten George Bush Ende letzten Jahres protestiert hatte.

Mit seinem neuesten Schritt schwächt al-Sadr zwar die ohnehin angeschlagene Regierung al-Malikis, aber die meisten Beobachter gegen davon aus, dass die Regierung überleben wird.

Für den Schiitenpolitiker Muktada al-Sadr ist die neueste Anküdigung eine weitere Taktik, um seiner Forderung nach einem Zeitplan für den Abzug der ausländischen Truppen mehr Druck zu verleihen. Premier al-Maliki hat sich dem bisher stets mit dem Argument widersetzt, dass erst die irakischen Sicherheitskräfte ausgebaut werden müssten. Doch al-Sadrs Forderung ist durchaus selbst unter den anderen Parlamentsabgeordneten populär. Erst letzten Herbst hatten 170 von ihnen eine Parlamentsinitiative unterschrieben, die ein genaues Datum für den amerikanischen Abzug eingeklagt hatte. Al-Maliki hatte die Angelegenheit damals einer parlamentarischen Kommission übergeben, um Zeit zu gewinnen. Inzwischen wird die Forderung nach einem Abzug der ausländischen Truppen innerhalb von sechs bis zwölf Monaten bei den meisten Meinungsumfragen im Irak von drei Vierteln der Befragten unterstützt.

Al-Sadr befindet sich also im politischen Aufwind. Erst vor einer Woche hatte er Hundertausende seiner Anhänger zu einem Marsch durch Nadschaf mobilisiert. „Ja, ja, ja zum Irak, nein, nein, nein zu den amerikanischen Besatzern“, riefen sie auf einem fast zehn Kilometer langen Demonstrationszug anlässlich des vierten Jahrestages des Falls Bagdads. Politisch besonders brisant: An dem Protestmarsch hatten auch zahlreiche sunnitische Geistliche teilgenommen. Konfessionelle Bezeugungen auf Transparenten und Postern waren untersagt worden. Stattdessen rief al-Sadr die Demonstranten auf, die irakische Flagge zu hissen, um die Unabhängigkeit und Souveränität des Irak zu unterstreichen. Die Botschaft des untergetauchten al-Sadrs wurde damals verlesen. Er rief die irakischen Sicherheitskräfte dazu auf, ihm „im Kampf gegen den Erzfeind Amerika“ beizustehen. „Ihr unterdrückten Menschen des Irak, lasst die ganze Welt hören, dass ihr die Besatzung, die Zerstörung eures Landes und den Terror ablehnt“, lies er verlauten und setzte hinzu: „Der Abzug der Besatzer wird den Irak stabilisieren, dem Islam einen Sieg verleihen und dem Terror und den Ungläubigen eine Niederlage bereiten.“