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Archiv-Artikel

Das Kino und der Bechdel-Test

Bechdels Test schärft das Bewusstsein für das Vorurteilsgeballer im Mainstreamkino

Es sind nur drei Fragen: 1. Gibt es im Film zwei Frauenfiguren? 2. Die miteinander sprechen? 3. Über etwas anderes als einen Mann? In Alison Bechdels 1985 erschienenen Comic „The Rule“ erläutert eine Frau ihrer Freundin, dass sie diese Regel anwendet, wenn es um die Auswahl des Kinoprogramms geht. Die beiden Damen gehen schließlich nach Hause anstatt ins Filmtheater. Denn der sogenannte Bechdel-Test, der es vom Undergroundcomic der 54 Jahre alten Cartoonistin bis ins Mainstreamkino und in die Mainstreamfilmkritik geschafft hat, führt dem Markt aufs Eleganteste seinen Sexismus vor Augen, indem er mit drei cleveren Fragen auf altbekannte und bewährte Gendervorurteile aufmerksam macht.

Bechdel wuchs in einer Kleinstadt in Pennsylvania auf, zog später nach New York und dann aufs Land in den Bundesstaat Vermont. In ihren 2006 und 2012 entstandenen Comics „Fun House“ und „Are you my Mother“ wie auch in der zwischen 1983 und 2008 veröffentlichten „Dykes to watch out for“-Comicreihe thematisiert sie ihr lesbisches Leben, das Verhältnis zu ihren Eltern und ihre Herkunft. Nun wurde sie dafür mit dem „MacArthur Foundation Genius Grant“ ausgezeichnet, wie die Washington Post meldete. Der Preis besteht aus einem Stipendium, das sich über fünf Jahre erstreckt, und für „außergewöhnliche kreative Arbeiten“ seit 1981 an US-AmerikanerInnen vergeben wird. Dass im letzten Jahr nur 15 Prozent der US-amerikanischen Blockbuster Protagonistinnen auf die Leinwand brachten, steht dabei im Gegensatz zu den Ergebnissen des Bechdel-Tests: Filme mit weiblichen Hauptfiguren, so das Ergebnis einer Studie des Journalisten Walt Hickey, brauchten im Durchschnitt ein geringeres Budget und zahlten sich demzufolge an den Kinokassen besser aus.

Aber Bechdels Test kann mehr, als Finanzen geradezurücken: Er schärft das Bewusstsein des Publikums für das Vorurteilsgeballer im Mainstreamkino, in dem Frauen als Heldinnen selten mit mehr als ihren Liebesprobleme zu kämpfen haben – das in diesem Jahr erschienene, Bechdel-Test-freundliche Disney-Fantasy-Spektakel „Maleficent“, in dem „die dunkle Fee“ Angelina Jolie sich langsam mit Dornröschen anfreundet, ist eine Ausnahme. Und dass Maleficent und Dornröschen nicht über Männer reden, liegt vielleicht auch daran, dass Dornröschen im Film einfach noch zu jung für Girltalk ist. JENNI ZYLKA