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Archiv-Artikel

Türkische Geiseln frei – aber für welchen Preis?

TÜRKEI Unter dubiosen Umständen lässt die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ 49 Gefangene in die Türkei ausreisen

ISTANBUL taz | Es waren Bilder der Erleichterung und des Triumphes, als am Samstagnachmittag die Maschine mit den türkischen Geiseln an Bord auf dem Flughafen in Ankara landete. Ein triumphierender Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte in seiner Ansprache, in einer beispiellosen Aktion des türkischen Geheimdienstes seinen die Männer und Frauen, die 100 Tage zuvor im türkischen Konsulat in Mossul von IS-Kämpfern gefangen genommen worden waren, jetzt befreit worden.

Weder über die genauen Umstände der Befreiung noch über die dreimonatige Haft der 46 Türken und drei irakischen Ortskräfte gab es indes nähere Informationen. Der türkische Konsul sagte lediglich gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, es sei ziemlich schrecklich gewesen: Die IS-Bewachter hätten ihnen Enthauptungsvideos vorgeführt, um sie einzuschüchtern. Insgesamt seien sie aber besser behandelt worden als andere Gefangene, weil sie Muslime seien.

Seit auf Drängen der USA weltweit über die Bildung einer multinationalen Koalition gegen die IS-Terroristen diskutiert wird, hatte die Türkei immer mit Verweis ihre Geiseln ein größeres Engagement abgelehnt. Die Türkei, die direkt an vom IS kontrollierten Gebiete in Syrien und dem Irak angrenzt, wollte sich an militärischen Aktionen nicht beteiligen und verweigerte sogar den USA die Nutzung ihres Luftwaffenstützpunkts Incirlik für Luftangriffe gegen den IS. Zu riskant für unsere Geiseln, hieß es.

Die Geiseln schienen zuletzt ein so probates Argument gegen jedes türkisches Engagement, dass Gerüchte aufflackerten, die türkischen Beamten und ihre Familien seinen wohl eher Gäste als Gefangene. Auch die Umstände ihrer Freilassung lassen viele Fragen offen. Warum sollte der IS sie jetzt freigelassen haben, ohne dass Geld geflossen ist? Welche Zusagen hat Präsident Erdogan dem IS also gemacht?

Das sind Fragen, denen sich Erdogan heute in den USA wird stellen müssen. Am Sonntagnachmittag flog er nach New York, um im Vorfeld der am Dienstag beginnenden UN-Vollversammlung diverse Gespräche in den USA zu führen. Auf einer Pressekonferenz vor dem Abflug gab es einen ersten Hinweis, was der Preis für die Freilassung gewesen sein könnte. Auf die Frage, ob drei IS-Kommandanten, die in der Türkei in Haft gewesen waren, im Austausch freigelassen wurden, bestritt Erdogan dies nicht, sondern sagte, die Hauptsache sei, dass „unsere Leute“ nun frei seien. JÜRGEN GOTTSCHLICH