: Mit Tempo 300 durch die Heide
Bund will Hochgeschwindigkeitsstrecke für ICEs zwischen Hamburg, Bremen und Hannover in Angriff nehmen. Die Y-Trasse soll die jetzigen Bahnstrecken für immer mehr Gütertransporte aus den Häfen freimachen. Gutachten bezweifelt jedoch den Nutzen
Der Neubau einer zweigleisigen und elektrifizierten Eisenbahnverbindung von Hannover nach Bremen und Hamburg wird seit sieben Jahren geplant. Sie wird Y-Trasse genannt, weil sie sich nördlich von Walsrode gabeln soll. Ein Arm führt nach Nordosten nach Lauenbrück zur bestehenden Strecke Hamburg – Bremen, der andere westlich via Verden/Aller nach Bremen. Die Kosten werden zurzeit mit 1,3 Milliarden Euro angegeben. Hinzu kämen weitere gut 200 Millionen Euro für den Ausbau zweier Teilstrecken: Von der Gabelung nach Osten über Soltau nach Uelzen zur Hochgeschwindigkeitsstrecke Uelzen – Stendal – Berlin sowie vom Bremer Knoten über Oldenburg nach Wilhelmshaven zur besseren Anbindung des geplanten Tiefwasserhafens JadeWeserPort. Im Zusammenhang damit steht das dritte Gleis auf dem Engpass zwischen Hamburg und Lüneburg, mit dessen Bau im nächsten Jahr zu rechnen ist. SMV
Von Sven-Michael Veit
Die ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hamburg, Bremen und Hannover wird wahrscheinlicher. Die so genannte Y-Trasse (siehe Kasten) sei aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums „absolut prioritär“, erklärte dessen Sprecher Sven Ulbrich gestern im Gespräch mit der taz nord. Für ihren Bau gebe es „den politischen Willen“. Und erstmals sogar etwas Geld: 15 Millionen Euro für erste Planungsschritte sollen im neuen Investitionsrahmenplan des Ministeriums eingestellt werden, der im kommenden Monat verabschiedet werden wird.
Bei prognostizierten Baukosten von etwa 1,3 Milliarden Euro für die zweigleisige und elektrifizierte Strecke ist dies ein eher bescheidener Anfang. Allein die Kosten für die Gesamtplanung werden auf etwa 50 Millionen Euro beziffert. Es gehe zurzeit nur darum, „bis 2010 oder 2011 das Projekt anzuschieben“, sagte Ulbrich. Über seine Realisierung müsse dann gesondert entschieden werden.
Hamburgs Verkehrssenator Axel Gedaschko und sein Bremer Kollege Ronald-Mike Neumeyer (beide CDU) freuten sich ebenso wie Niedersachsens Ressortchef Walter Hirche (FDP) über „diese Zusage, auf die wir lange gewartet haben“. Erst vor zwei Wochen hatten sie in einem gemeinsamen Brief an Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) auf eine positive Entscheidung gedrängt. Und am Donnerstagabend hatten die regierenden Christdemokraten und die rot-grüne Opposition in der Hamburger Bürgerschaft einstimmig den zügigen Bau der Trasse gefordert.
Das zweigleisige Y durch die westliche Lüneburger Heide soll künftig die Hauptstrecke für den Personenverkehr zwischen Hamburg, Bremen und Hannover sein. Ausgebaut für Tempo 300 würde sie die Reisezeiten zwischen den drei größten Städten Norddeutschlands um 20 bis 30 Minuten verringern. Der Hauptgrund jedoch besteht in den prognostizierten Zuwächsen im Güterverkehr, der die Schienenkapazitäten im Norden zu sprengen droht. Die Güterzüge sollen sich, so die Idee, die jetzigen Strecken von Bremen über Nienburg und von Hamburg über Uelzen nach Hannover nur noch mit Regionalbahnen teilen, während die ICEs über die neue Strecke flitzen.
Der anhaltende Containerboom in Hamburg und den bremischen Häfen führt nach allen Voraussagen bis 2015 etwa zu einer Verdoppelung der Umschlagszahlen. Zusätzlicher Güterverkehr wird aus dem geplanten Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven erwartet. Erklärter politischer Wille der drei Länder und des Bundes ist es, die anfallenden Transporte nicht über die Straße abzuwickeln, sondern über die Schiene.
Allein den Hamburger Hafen werden in acht Jahren etwa 500 Güterzüge täglich anfahren oder verlassen, aktuell sind es lediglich 190. Deshalb wird am kommenden Mittwoch bereits die zweite Ausbaustufe des Hafenbahnhofs Alte Süderelbe im Südwesten der Hansestadt in Betrieb genommen – und der ist bereits jetzt Europas größter Seehafenbahnhof.
Erneut anfachen dürfte die jüngste Zusage aus Berlin den Widerstand gegen die Y-Trasse vor Ort: Nach Bekanntgabe der ersten Pläne 2001 waren mehrere Initiativen in der eher beschaulichen Region aktiv geworden, weil sie Lärm und die Zerschneidung der Landschaft befürchteten. Argumentationshilfe gibt ihnen eine neue Studie im Auftrag des niedersächsischen Landesverbandes des Verkehrsclub Deutschland (VCD), welche der taz vorliegt.
In diesem Gutachten kommt der Diplom-Ingenieur Roland Sellien von der Studiengruppe Nahverkehr in Braunschweig zu dem Schluss, dass die Y-Trasse nicht ausreichend Kapazitäten für Güterzüge auf den bestehenden Strecken freimachen. Zudem würde sie zu „Trassenkonflikten“ zwischen Hamburg und Bremen führen – mit der Konsequenz, dass einige Nahverkehrszüge zugunsten der ICEs „ersatzlos gestrichen werden“ müssten.
Eine mit etwa 800 Millionen Euro zudem weit billigere Alternative sei die Ertüchtigung der Bimmelbahnstrecke von Buchholz über Soltau nach Celle für den zunehmenden Güterverkehr, schlägt Sellien vor. Die Y-Trasse hingegen führe „im Endeffekt nur zu einer Problemverlagerung“.