piwik no script img

Archiv-Artikel

Internetdienst vor Gericht

Weil Yahoo Daten an die chinesische Regierung weitergab, klagt eine Angehörige inhaftierter Dissidenten

Die Ehefrau des in China inhaftierten Internet-Dissidenten Wang Xiaoning hat in den USA Klage gegen Yahoo eingereicht. Sie werfe dem US-Unternehmen vor, den chinesischen Behörden Informationen über ihren Mann geliefert und damit Menschenrechtsverletzungen unterstützt zu haben, sagte Yu Ling am Donnerstag in San Francisco. Die von der Menschenrechtsorganisation World Organization for Human Rights USA unterstützte Klage war am Mittwoch bei einem Bundesgericht in der Stadt an der Pazifikküste eingegangen.

Der 57-jährige Wang war im September 2003 zu zehn Jahren Haft wegen Aufwiegelung gegen die Staatsgewalt verurteilt worden. Er hatte über den E-Mail-Dienst von Yahoo zu demokratischen Reformen in China aufgerufen. Wang ist nach Angaben seiner Ehefrau in einem Arbeitslager interniert und wird dort gefoltert. Er ist einer von über 50 derzeit in China inhaftierten Internet-Dissidenten.

Menschenrechtsorganisationen haben Internetfirmen wie Yahoo, Microsoft und Google wiederholt dafür kritisiert, Peking mit Filtertechnologien bei der Zensur des Internets zu unterstützen. Yahoo wird das Mitwirken bei der Verhaftung von mindestens drei weiteren Internet-Dissidenten vorgeworfen. Das Unternehmen habe in höchstem Maße unverantwortlich gehandelt, sagte Morton Sklar, Direktor der World Organisation for Human Rights, der Washington Post. Yahoo habe gewusst, dass es zur Festnahme von InternetnutzerInnen kommen könne, wenn deren Daten an die chinesischen Behörden weitergegeben würden.

Yahoo-Sprecher Jim Cullinan verteidigte gegenüber dem San Francisco Chronicle das Vorgehen seines Unternehmens als „Teil des Geschäfts in China“. Yahoo erhalte bei Anfragen nach Nutzerdaten seitens der chinesischen Regierung keine Informationen, warum gegen diese ermittelt würde, und könne daher auch nicht voraussehen, ob die Betroffenen Repressionen ausgesetzt seien, so Cullinan.

„Yahoo hat meinen Mann aus wirtschaftlichen Interessen verraten. Sie haben meine Familie zerstört. Alles, was mein Mann getan hat, war, seine politischen Ansichten zu vertreten“, kritisiert Wangs Ehefrau Yu. Mit ihrer Klage will die Chinesin erreichen, dass Yahoo nicht länger Informationen zur Identität seiner NutzerInnen auf Verlangen Pekings herausgibt. Sie hofft außerdem darauf, dass der internationale Druck auf die chinesische Regierung wächst, Wang freizulassen. Für US-amerikanische Menschenrechtsorganisationen ist die Klage ein weiterer Testfall für eine neue Strategie, mit der sie bei Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen im Ausland zivilrechtliche Ansprüche geltend machen wollen. ANETT KELLER