: Quittung für die Abschiebung
PROZESS Minderjährige Flüchtlinge müssen für ihre eigene Abschiebung bezahlen, entschied ein Gericht in Lüneburg. Es wies damit die Klage einer Serbin ab, die 600 Euro zahlen soll
Für ihre Abschiebung müssen auch minderjährige Flüchtlinge selbst bezahlen, entschied das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG). Es wies die Berufungsklage von Seka S. ab, von der die Landesaufnahmebehörde (LAB) 600 Euro für ihre Abschiebung fordert. Seka S. war 1995 als Kind mit ihrer Familie nach Deutschland gekommen und 2002 als 16-Jährige abgeschoben worden. Mittlerweile ist sie verheiratet und lebt wieder in Deutschland.
S. weigerte sich zu zahlen und klagte gegen die LAB vor dem Verwaltungsgericht, vor dem sie jedoch verlor. Als Minderjährige habe sie sich ihren Aufenthaltsort nicht aussuchen können, sondern sei von ihren Eltern abhängig gewesen. Das sah das OVG anders. In Abwesenheit der Prozessparteien stellte der Senat fest, dass sowohl die Abschiebung als auch der aktuelle Kostenbescheid rechtmäßig waren.
Der Paragraf 66 des Aufenthaltsgesetz, der regelt, wer für die Kosten von Abschiebungen aufkommen muss, unterscheidet nicht nach minder- oder volljährigen Flüchtlingen. Gleichzeitig regelt das Gesetz, dass ein Flüchtling mit 16 Jahren aufenthaltsrechtlich voll handlungsfähig ist. Deshalb könne sich die Klägerin auch nicht auf die Haftungsbeschränkung für Minderjährige im BGB berufen. Die Bundesregierung will die Handlungsfähigkeit von Flüchtlingen laut Koalitionsvertrag auf 18 Jahre anheben. Seka S. nutzt das nichts. Sie muss nun auch die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat reagierte bestürzt: „Die Entscheidung ist hanebüchen“, sagte Geschäftsführer Kai Weber. Man könne Flüchtlinge, die als Kleinkinder mit ihren Eltern einreisen, nicht als Erwachsene dafür verantwortlich machen. „Diese Rechtskonstruktion halten wir für haarsträubend.“ Zunächst will der Flüchtlingsrat aber die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.
Eine Lücke zeigte der Senat des OVG selbst auf: Hätten S.s Eltern sie angewiesen der Abschiebung nicht Folge zu leisten, also ihr elterliches Aufenthaltsbestimmungsrecht ausgeübt, wäre die Entscheidung vor Gericht wohl anders ausgefallen. HST