Der gute Geiz

Gas ist billiger als Strom, die Bahn günstiger als das Auto – mit Klimaschutz lässt sich jede Menge Geld sparen. Klimakiller im Alltag sind vor allem Psychologie und Gewohnheit

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Der Klimawandel und die effiziente – und kostensparende – Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.

Die Ökonomenzunft hat wieder zugeschlagen. Es gibt Zahlen von McKinsey und andere vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, mit denen Politiker und Lobbyisten derzeit hausieren gehen: Demnach kostet Klimaschutz Milliarden von Euros. Doch das ist Quatsch, schließlich gibt es vielfältige Möglichkeiten des Klimaschutzes, die kein Geld kosten, sondern im Gegenteil lukrativ sind. Würde jeder Verbraucher, jede Firma und jede öffentliche Institution im Lande konsequent all das für den Klimaschutz tun, was sich zugleich ökonomisch rechnet, würden ambitionierte Klimaziele schnell erreicht.

Zwar gibt es in der Tat viele Ideen zum Klimaschutz, die Geld kosten. Doch wer diese in den Vordergrund der politischen Debatte rückt, hat entweder im Sinn, bei den Bürgern die Akzeptanz des Klimaschutzes zu schwächen. Oder er hat sich nie wirklich mit den Klimaschutzpotenzialen beschäftigt.

Schließlich gibt es unzählige Positivbeispiele – zum Beispiel im Gebäudesektor. Das wissen am besten jene Firmen, deren Geschäft das „Einsparcontracting“ ist. Dabei sanieren Privatunternehmen auf eigene Kosten öffentliche Gebäude. Im Gegenzug bekommen sie eine Zeit lang die eingesparten Energiekosten vergütet. Wäre der Klimaschutz unwirtschaftlich, könnte dieses Modell nicht funktionieren. Es klappt aber blendend.

Hauptstadt des Einsparcontractings ist Berlin. Mehr als 1.300 Gebäude hat die Stadt inzwischen in solchen „Energiesparpartnerschaften“ unter Vertrag – etwa Schwimmbäder, Schulen und Hochschulgebäude. Manches Objekt verbraucht seither ein Drittel weniger an Energie, während der Investor Gewinne macht und auch der Eigentümer Geld spart. Wer diese Projekte kennt, kann über die angeblichen Kosten von Klimaschutz nur lächeln.

Mit Geld von Anlegern wird Ähnliches betrieben – statt in Windkraft- oder Solarfonds investieren sie in die Energieeffizienz öffentlicher Bauten. Das erste Projekt, genannt „Eco-Watt“, fand schon vor Jahren in Freiburg statt, wo Bürger mit privatem Geld eine örtliche Schule sanierten. Das Gebäude spart seither mächtig Energie, und die Rendite stimmt außerdem.

In Deutschland ließen sich nach diesem Muster allein in öffentlichen Bauten 800 Millionen Liter Heizöläquivalent jährlich einsparen, schätzt das Dessauer Umweltbundesamt. Das wären pro Jahr 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger bei gleichzeitigem finanziellem Gewinn. Ob die McKinseys im Lande davon noch nie etwas gehört haben?

Bei Privathäusern sind die Möglichkeiten ähnlich opulent. Das hessische Wirtschaftsministerium schätzt, dass sich im Gebäudebestand „mindestens 50 Prozent“ der Heizenergie wirtschaftlich einsparen lassen. Das sind zig Millionen Tonnen weniger Treibhausgas im Jahr, jede einzelne davon spart Geld.

Im Haushalt setzt sich das Muster fort. Die Erkenntnis, dass ein moderner Kühlschrank mit Effizienzklasse A++ seine Mehrkosten binnen weniger Jahre einspielt, ist unter nüchternen Rechnern längst Allgemeingut. Ein weiteres Beispiel ist der Gasherd, verglichen mit dem Elektroherd. Die Kilowattstunde Erdgas kostet 6 Cent und erzeugt 200 Gramm Kohlendioxid. Strom hingegen kostet 18 bis 20 Cent und bläst 550 Gramm Kohlendioxid in die Atmosphäre. So bringt jede Kilowattstunde Strom, die durch Erdgas ersetzt wird, 350 Gramm Klimaentlastung – und spart zugleich 12 bis 14 Cent.

Wer mit dem Auto fährt, mag tausend Gründe dafür haben. Mit Sicherheit keine ökonomischen

Unredlich wäre solche Kalkulation freilich, wenn der Effekt durch andere Nachteile erkauft würde. Doch das Gegenteil ist der Fall: Gas ist obendrein komfortabler. Nicht zufällig entscheiden sich jene, die es wissen müssen – von der Großküche bis zur Spitzengastronomie – für den Gasherd. Sie sparen 400 Euro mit jeder vermiedenen Tonne Kohlendioxid.

Sich klimafreundlich verhalten und Geld sparen kann man auch im Verkehr. Eine Beispielrechnung: Eine Person fährt alleine von Freiburg nach Berlin, das sind 800 Kilometer pro Strecke. Mit dem Auto (sieben Liter Sprit pro 100 Kilometer) erzeugen Hin- und Rückfahrt 250 Kilogramm Kohlendioxid. Die Bahnfahrt im ICE bleibt unter 100 Kilogramm.

Nun die Kosten: Allein das Benzin verschlingt 150 Euro. Wer realistisch kalkuliert, muss auch die Abnutzung des Autos hinzurechnen, womit sich dann eher 250 Euro ergeben. Das ICE-Rückfahrticket aber ist mit BahnCard für 119 Euro zu haben. (Da die BahnCard sich für jeden bereits lohnt, der nur zwei große oder vier mittelgroße Reisen im Jahr macht, sei es hier erlaubt, diese anzusetzen.) So spart die Bahnfahrt 150 Kilogramm Kohlendioxid und zudem 130 Euro. Noch gar nicht berücksichtigt ist dabei der Zeitgewinn, den man ja auch noch ökonomisch gutschreiben könnte. Denn der Zug ist erstens schneller, und zweitens lässt sich die Fahrzeit anders als im Auto sinnvoll nutzen.

Wer nun dennoch mit dem Auto fährt, mag tausend Gründe dafür haben, aber mit Sicherheit keine ökonomischen. Allenfalls Pseudoökonomie kann die Autofahrt stützen: Wer nur die Benzinkosten rechnet, kann sich den Pkw in der Tat schönrechnen. Häufigster Grund für die Entscheidung zugunsten des Autos ist jedoch die Gewohnheit: Viele Menschen fahren allein deswegen nicht Bahn, weil sie es noch nie getan haben.

Ähnliche Beispiele gäbe es noch viele zu erzählen, und jeder findet eigene, wenn er seinen Alltag mal überdenkt. Sie alle machen deutlich, dass oberschlaue Ökonomen, die Klimaschutz als Kostenproblem beschreiben, komplett am Thema vorbeigehen. Die wirklich relevanten Fragen nämlich sind andere: Warum verweigern sich die Menschen dem Klimaschutz selbst dort, wo er finanziell lukrativ ist? Und welche Anreize muss die Politik geben, damit sich das ändert?

Man stelle sich vor, alle Menschen würden auf Kurzstrecken immer dann das Auto durch das Fahrrad ersetzen, wenn das Radl faktisch überlegen – das heißt vor allem: schneller – wäre. Selbst wenn man sich auf jene Fahrten beschränkt, bei denen das Wetter schön ist, die Strecke eben und das Gepäck gering, bleibt bundesweit ein grandio- ses Klimaschutzpotenzial, das nichts kostet, sondern Gewinn bringt.

Es gibt viele Möglichkeiten des Klimaschutzes, die kein Geld kosten, sondern lukrativ sind

Das macht deutlich: Psychologie und Gewohnheit stehen dem Klimaschutz häufig entgegen – nicht die Ökonomie. Mitunter kommen noch formale Hürden hinzu. Etwa dann, wenn Vermieter ihre Häuser nicht sanieren, weil sie den Wärmeschutz nicht auf die Kaltmiete umlegen können – selbst dann nicht, wenn die Warmmiete für die Bewohner am Ende sinken würde. Dieses „Investor-Nutzer-Dilemma“ bedarf in Zeiten des Klimawandels dringend einer Lösung.

Solche vielfältigen Hemmnisse zu ergründen und Gegenstrategien zu entwickeln, wäre mal eine lohnenswerte Aufgabe für Politik- und Wirtschaftswissenschaft. Und es wäre ein klügerer Ansatz, als irgendwelche Horrorzahlen von angeblichen Kosten zu verbreiten.

BERNWARD JANZING