: Läuft doch
MARATHON Am Sonntag rennen wieder 40.000 Menschen durch die Stadt. Die Vorbereitung für so einen Lauf ist qualvoll – und oft auch ziemlich einsam
■ Am heutigen Samstag und am morgigen Sonntag findet der 41. Berlin-Marathon statt. Heute um 15.20 Uhr startet der Mini-Marathon für Kinder, bei dem 8.642 Nachwuchsjogger und -joggerinnen eine Strecke von 4,2195 Kilometern zurücklegen werden. Um 15.30 Uhr beginnt das Marathon-Rennen der Inlineskater.
■ Am Sonntagmorgen gehen zu sportlicher Zeit, um 8.20 Uhr, 32 Rollstuhlfahrer auf die Marathonstrecke. Um 8.28 Uhr folgen ihnen 182 Handbiker, ehe um 8.45 Uhr das Rennen der Läuferinnen und Läufer startet. Insgesamt 40.004 Teilnehmer werden versuchen, das Ziel bis spätestens 15 Uhr zu erreichen. Auf der Strecke warten 145.000 Bananen auf Abnehmer, am Ziel sollen 250 Liter Massageöl auf Läuferbeinen verteilt werden.
■ Beim Lauf der Männer gehören die Kenianer Dennis Kimetto und Emmanuel Mutai zu den Favoriten. Ihnen traut man zu, bei guten Bedingungen den Vorjahresweltrekord von Wilson Kipsang (2:03:23) anzugreifen. Die Äthiopierinnen Tirfi Tsegaye und Feyse Tadese sowie die US-Amerikanerin Shalane Flanagan zählen bei den Frauen zu den Favoritinnen.
■ Am Samstag und am Sonntag werden zahlreiche Straßen und Plätze für den Marathon gesperrt sein. Wer nicht läuft, sondern fährt, umkurvt das Zentrum am besten weitläufig. (jut)
VON STEFAN ALBERTI
Man könnte im Bett liegen bleiben. Oder länger frühstücken. Man hätte auch am Vorabend ein Weinchen trinken oder sich noch eine Schachtel Pommes reinschieben können. Und vor allem nach zehn Uhr ins Bett huschen. Geht aber nicht. Denn an diesem Sonntag ist Tag X, auf den seit Monaten alles ausgerichtet ist. 42.195 Meter durch die Stadt laufen und ein paar Stunden von Wasser, Cola und Bananen leben. Kurzum: beim Berlin-Marathon dabei sein.
Das „Warum?“ ist eine Frage, die schon seit Wochen nicht mehr zulässig ist. Wenn man erst mal anfängt, seine Askese zu hinterfragen, ist es nämlich vorbei mit der Disziplin. Es ist wie mit einer angebrochenen Tafel Schokolade: Genauso wie es da nicht bei einem Stück bleibt, fällt nach der ersten geschwänzten Laufeinheit schnell die zweite weg. Und wenn der Trainingsplan erst mal wankt, ist es Sense mit der angestrebten Bestzeit.
Dieser Plan kommt von Herbert Steffny und ist ein Klassiker, nach dem schätzungsweise Zehntausende schon ihre Marathons vorbereitet haben. Steffny war mal Europameisterschaftsdritter im Marathon und empfiehlt nach gründlicher Aufbauarbeit zehn Wochen verschärftes Training. Das geht auch für Einsteiger kaum unter 50 Kilometer die Woche. Wer unter die Hobbyläufer-Traumgrenze von drei Stunden will, ist wöchentlich mit 100 Kilometern dabei.
Qualität kommt eben von Qual. Ja, natürlich soll die Sache Spaß machen. Und spätestens die letzten paar hundert Meter vor dem Ziel, so ab dem Brandenburger Tor, gibt es meist auch intensive Glücksmomente. Aber der Weg dahin ist eher anstrengend als spaßig. Der normal Begabte muss sich nämlich mangels angeborener Langlaufgene auf Folterinstrumente wie Intervalltrainings stützen. Und das ist am Morgen vor der Arbeit nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig: Fünfmal tausend Meter, nicht ganz an der Brechgrenze, aber fast, dazwischen zwei Minuten Pause. Dummerweise bringen diese Intervalle tatsächlich was. Wer jeden Morgen nur stumpf vor sich hin trottet, wird vielleicht ausdauernder, aber selten schneller.
So richtig spaßig ist es auch nicht, jedes Wochenende für 30 und mehr Kilometer ohne Murren loszuziehen, egal ob es regnet oder 35 Grad hat und zudem meist allein. Muss aber auch sein: Wer immer bei um die 20 Kilometer Schluss gemacht hat, der erlebt am Sonntag eine zweite Marathonhälfte, die es in sich hat. Dann kommt nämlich der „Mann mit dem Hammer“. Der haut all jene um, die ihrem Körper nicht mit langen Übungsläufen beigebracht haben, wo er Energie finden kann, wenn die Tanks eigentlich leer sind.
„Bitten Sie Ihre Familie um Verständnis“, hat Steffny auch empfohlen. 100 Kilometer die Woche, um die Arbeit rumgequetscht, das zehrt nicht nur an den eigenen Nerven. Weckerklingeln im Dunkeln, Partyabsagen und dauerndes Durchschnittszeiten-Gequatsche bringen einem bei Familie und Freunden nicht gerade Sympathien ein.
Montag aber können sich auch die entspannen. Dann ist kein Plan mehr abzuarbeiten, kein Kästchen mehr mit Zeiten zu füllen. Erst mal jedenfalls. Bis zum nächsten Marathon.
Porträt der Gründer des Berlin-Marathons plus Karte SEITE 44/45