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Archiv-Artikel

taz bedroht Bäume

STICH Die taz will acht Bäume für ihren Neubau fällen und den NachbarInnen den Blick auf die Abendsonne verbauen. Dagegen regt sich jetzt Protest

taz.neubau vs. Bäume

■ Anti-taz-Protest: Jeden Samstagnachmittag, Friedrichstraße Ecke Hedemannstraße, Berlin-Kreuzberg

■ Petition zur Rettung der Bäume auf www.change.org; Stichwort: „Hände weg von unseren Bäumen!“

■ Warum baut die taz ein Haus? Was haben Berlin und Kreuzberg davon? Und wie kann man die taz dabei unterstützen? www.taz.de/neubau

VON SEBASTIAN HEISER

An diesem Samstag wollen die Anwohner des taz.Neubaus wieder protestieren: Bei ihrer ersten Demonstration am vergangenen Wochenende füllten sich ihre Unterschriftenlisten schon mit gut zwei Dutzend Namen. „Hände weg von unseren Bäumen!“, heißt es in ihrer Petition. Darin heißt es, Bäume in der Stadt seien „Ausdruck für Lebensqualität“, sie „prägen das Bild der Straße“ und „gliedern und beleben den Straßenraum“.

„Die taz nimmt 2.000 Leuten das Tageslicht!“, sagte Schuhmachermeisterin Hendrikje Ehlers. Von ihrem Geschäft in der Hedemannstraße schaut sie Tag für Tag auf die Bäume. Sie fürchtet außerdem, dass durch den Neubau das sozial schwache Quartier in der südlichen Friedrichstraße aufgewertet wird und angestammte MieterInnen und Gewerbetreibende verdrängt werden.

„Zwei Jahre wird hier gebaut, da können Sie nicht mehr auf dem Balkon sitzen“, sagte Anwohnerin Margit Boé. Ihre Forderung: „Wenn überhaupt gebaut werden soll, dann sieben Meter weiter hinten.“

Die taz ist damit in einer ungewohnten Rolle: Üblicherweise berichten wir über solche Konflikte, jetzt stecken wir selber mittendrin. Und sind dabei zwiegespalten. Schließlich fände es auch niemand von uns toll, wenn zu Hause auf der anderen Straßenseite eine Brachfläche bebaut wird und damit der freie Blick auf einen Park und die Abendsonne verschwindet.

Andererseits ist Berlin eine wachsende Stadt, und nur durch Neubau lässt sich der schnelle Anstieg von Wohnungs- und Gewerbemieten abbremsen. Im vergangen Jahr wurde heftig diskutiert, wo denn am besten neu gebaut werden soll. Die Landesregierung wollte den ehemaligen Flughafen Tempelhof bebauen, der inzwischen ein Park und sehr beliebt ist. Eine Initiative war gegen den Neubau auf dieser Fläche, sammelte Unterschriften, strengte einen erfolgreichen Volksentscheid an und argumentierte: Es gebe genug Brachflächen in der Stadt, man solle lieber die bebauen.

Die von der taz ausgewählte Fläche ist so eine Brache. Sie ist nur 400 Meter vom jetzigen Verlagssitz entfernt, somit können wir in unserem Viertel bleiben. Die früher dort stehenden Häuser wurden im Krieg zerbombt, derzeit ist hier ein asphaltierter Parkplatz. Mit acht Bäumen. Wenn sie fallen, wird die taz eine Abgabe an den Bezirk zahlen müssen. Mit dem Geld werden dann an anderer Stelle neue Bäume gepflanzt. In diesem Fall sogar direkt nebenan. Das taz-Grundstück liegt direkt neben dem Besselpark, der bisher 122 Bäume hat. Im Zuge der Umgestaltung des Gebiets wird der Park um zwei bisher abgesperrte Flächen erweitert. Hier werden 39 Bäume neu gepflanzt – die allerdings anfangs wesentlich kleiner sein werden als die Bäume, die für den taz.Neubau gefällt werden. Wir hoffen, dass einige Anwohner auch das Angebot in unserem Neubau interessant finden: Ins Erdgeschoss kommt das taz Café und ein Veranstaltungsraum, in dem mehrmals pro Woche politische Diskussionen, Buchvorstellungen oder Treffen von Initiativen stattfinden. Der Eintritt ist frei. Nichtkommerzielle Gruppen können den Raum für ihre öffentlichen Veranstaltungen kostenlos mieten.

Die bisherigen Debatten mit den Anwohnern zeigten, dass einige sehr empört über den Neubau sind, viele Fragen haben und es auch Verständnis für die Pläne gibt. Die Onlinepetition auf www.change.org mit der Überschrift „Gegen das Fällen von Bäumen in der Innenstadt!“ haben innerhalb der ersten Woche bereits 60 Personen unterschrieben. Die Petition richtet sich an den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg: Das Fällen der Bäume soll nicht genehmigt werden. Der Bezirk soll also seine bisherige Linie revidieren – der im Jahr 2012 zuletzt geänderte Bebauungsplan erlaubt den Bau auf dieser Fläche. Für die taz wird es jedenfalls spannend, wie sich diese Auseinandersetzung weiterentwickelt.

 Sebastian Heiser, 35, ist Redakteur der taz und Autor des taz-Hausblogs