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Archiv-Artikel

Deutsch ist den Kleinen fremd

Der bundesweit erste Sprachtest für Vierjährige zeigt: Fast jedes zweite Kind hat Probleme mit der deutschen Sprache

DÜSSELDORF taz ■ Der gedankliche Besuch im Zoo endete für jeden zweiten Vierjährigen in Nordrhein-Westfalen mit einer Enttäuschung. Beim bundesweit ersten Pflichttest, der auf einem Brettspiel mit Tierfiguren basiert, wiesen 43 Prozent der Kinder Sprachdefizite auf.

Diese müssen nun im Mai zu einem weiteren Test. Dort werden sie eine halbe Stunde lang von einer Grundschullehrerin auf ihre Ausdrucksfähigkeit geprüft. Erst danach wird entschieden, welches Kind wirklich Sprachförderung erhält. Die schwarz-gelbe Landesregierung will dafür pro Kind und Jahr 340 Euro ausgeben.

Zur zweiten Teststufe kommen 33.000 Kinder hinzu, die entweder an dem Testtag krank waren oder nicht den Kindergarten besuchen. Defizite wurden bei Kindern jeder Schicht und Herkunft festgestellt. NRW-Integrationsminister Armin Laschet (CDU) hatte bereits im Februar prognostiziert: „Wir werden Kinder türkischer Herkunft erleben, die flüssig Deutsch reden und keine Hilfe brauchen. Aber auch deutsche Kinder, die nicht so sprechen, wie wir es von Vierjährigen erwarten.“

Für Opposition und Lehrergewerkschaften ist nicht die Sprachfähigkeit der Kinder, sondern der Test das Problem: „Der Test ist schlicht und einfach nicht kindgerecht“, sagt Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in NRW. SPD-Familienpolitikerin Britta Altenkamp hält solch ein „Kinderabitur“, wie sie es nennt, für überflüssig: „Es gibt bereits Sprachbeobachtungsbögen und auch entsprechende Förderung“, sagt sie. „Die CDU tut so, als habe sie das neu erfunden.“

Kritik am Test kommt auch von Seiten der Sprachwissenschaftler: „Die Maßstäbe bestimmen das Ergebnis“, so Fred Bertz von der Universität Münster. „Bei anderen Tests waren nur zehn Prozent der Vierjährigen auffällig.“

NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) und Armin Laschet rufen derweil vereint zur Gelassenheit auf: „Erst nach der zweiten Stufe ist klar, wie viele Sprachförderung brauchen“, heißt es aus dem Schulministerium. Bei Zweifelsfällen hätten ErzieherInnen und LehrerInnen beschlossen, dass das Kind zum nächsten Test soll, so ein Sprecher. Die Finanzierung müsse notfalls auch für jedes zweite Kind reichen.

Bisher ist noch nicht klar, wie die Sprachförderung in den Kita-Alltag integriert werden soll. Die Opposition hält das geplante Fördergeld für einen Witz: „Mit 6,41 Euro pro Woche und Kind kommt man nicht weit“, sagt SPD-Familienpolitikerin Britta Altenkamp.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will den verbindlichen Test im ganzen Bundesgebiet einführen: „Alle Kinder, ausländische wie deutsche, sollen vor der Einschulung einen Sprachtest machen.“ NATALIE WIESMANN