Begleitet frei

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Christian Klar erhält erste Vollzugslockerungen, und zwar unverzüglich. Das hat gestern das Landgericht Karlsruhe entschieden und damit einem Antrag von Klar stattgegeben. Der ehemalige RAF-Terrorist kann damit ab sofort gelegentliche Ausgänge in Begleitung von Vollzugsbediensteten unternehmen.

Der Gerichtsbeschluss ist eine deftige Niederlage für den baden-württembergischen Justizminister Ulrich Goll (FDP), der wegen Klars antikapitalistischer Grußbotschaft an die Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz eine neue Begutachtung des Gefangenen durchsetzen wollte. In Baden-Württemberg sind Vollzugslockerungen von Häftlingen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe absitzen, nur mit Zustimmung des Justizministers und nach Begutachtung möglich. Zweimal – 2005 und Anfang 2006 – verweigerte das Ministerium schon die Vergabe eines Gutachtens, weil der Einstieg in Vollzugslockerungen „verfrüht“ sei. Schon damals erwirkte Klar einen Gerichtsbeschluss, der die starre Haltung des Ministeriums als unzureichend begründet kritisierte.

Als Klar dann aber vom Berliner Ensemble und seinem Intendanten Claus Peymann eine Ausbildungsstelle als Bühnentechniker angeboten wurde, lenkte Goll ein und gab im Mai 2006 ein Lockerungsgutachten beim Freiburger Kriminologen Helmut Kury in Auftrag. Dieser kam im Januar 2007 zum Schluss, dass eine Rückfallgefahr bei Klar „sehr niedrig“ sei und mit „sehr großer Wahrscheinlichkeit“ auch nicht damit gerechnet werden müsse, dass Klar Vollzugslockerungen missbrauchen werde.

Auf dieser Grundlage beriet Ende Februar eine Volllzugsplankonfernz in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, wo Klar seit 1989 einsitzt. Sie kam zum Schluss, dass Klar Lockerungen wie Ausgänge zu gewähren sind und er ab Juli 2007 in den offenen Vollzug in Bruchsal und später in Berlin verlegt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt war Klars Grußwort bereits bekannt. Die Vollzugspraktiker sahen in der Meinungsäußerung Klars kein Problem.

Anders Justizminister Goll, der den Lockerungen vorerst nicht zustimmen wollte und ein neues Gutachten einforderte. „Herr Klar hat sich in einer Weise geäußert, die so klingt, als lebe er noch in der gleichen Gedankenwelt wie vor 30 Jahren“, sagte er im taz-Interview. „Da muss ich doch hellhörig werden und prüfen, ob er wieder zu den gleichen terroristischen Mitteln wie früher greifen könnte.“ Bislang hat der neue Gutachter mit seiner Arbeit nicht begonnen, da Klar zu keinem Gespräch bereit war.

Stattdessen hat sein Anwalt Wolfgang Kaleck eine gerichtliche Entscheidung beantragt. Mit Erfolg. Gestern entschied das Landgericht Karlsruhe, dass zumindest mit den begleiteten Ausgängen sofort begonnen werden muss. Das Gericht akzeptierte zwar, dass es sich hier um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings habe das Justizministerium nicht geltend gemacht, was ein Abweichen von der ursprünglichen Planung rechtfertigen könnte. Die Bedenken von Goll wurden damit faktisch als substanzlos abgetan.

Die Entscheidung gilt zunächst nur für die ersten begleiteten Ausgänge. Für weitere Schritte – unbegleitete Ausgänge, Sonderurlaub, Verlegung in den offenen Vollzug, Verlegung nach Berlin – sind neue Ermessensentscheidungen erforderlich. Das Gericht erklärte Klars Klage derzeit für unzulässig.

Goll will den Konflikt fortführen und weitere Schritte von einem zusätzlichen Gutachten abhängig machen. „Bevor derartige Lockerungen gewährt werden, muss die möglicherweise andauernde Gefährlichkeit Klars ausgeräumt sein“, sagte Goll gestern. Wenn er keine neuen Argumente bringt, wird er wohl erneut scheitern.

Die Vollzugslockerungen bereiten eine reguläre Entlassung im Januar 2009 vor und haben mit dem Gnadenantrag von Christian Klar nichts zu tun.