: Verbessern auf Rädern
RADSPORT Ausgerechnet der bislang umstrittene Weltverband UCI entwickelt sich zum Vorkämpfer gegen Doping und für mehr Transparenz
AUS PONFERRADA TOM MUSTROPH
Brian Cookson ist immer wieder für Überraschungen gut. Ganz allein, ohne Bodyguards, ohne eine Traube von auf ihn Einfluss nehmen wollenden Strippenziehern, streift er über den Parcours der Straßenrad-WM in Ponferrada. Es ist seine erste WM als Präsident. Natürlich versucht er sie zu einem Superereignis hochzureden.
„Wir haben hier die beste mediale Auswertung aller Zeiten“, erzählt er – und bezieht sich dabei auf die Fernsehverträge. Überallhin, außer nach Deutschland, wird die WM live übertragen, lässt sich das auf eine Kurzformel bringen.
Cookson entgeht immerhin nicht die Diskrepanz zwischen TV-Reichweite und der mageren Zuschauerbilanz an der Strecke. „Ponfarrada ist etwas schwierig zu erreichen. Und da sind die Zuschauerzahlen tatsächlich schlechter als an anderen Orten, die besser zu erreichen sind“, meint er.
Den meisten Wirbel entfachte Cookson während der WM freilich mit der Entscheidung des Management Committees der UCI, ab Januar 2015 ein unabhängiges Antidopingtribunal einzurichten. „Es soll für alle Eliteathleten, Männer wie Frauen, in allen Radsportdisziplinen gelten“, erläutert Cookson der taz. Das neue Tribunal soll „verhindern, dass die nationalen Verbände in den Verdacht eines Interessenkonflikts geraten, wenn sie über Dopingvorwürfe eigener Spitzenathleten entscheiden“. Das ist sehr behutsam formuliert. Denn wie wenig fähig und wie wenig gewillt nationale Verbände in der Vergangenheit waren, gegen die eigenen Stars vorzugehen, zeigte etwa die lasche Auswertungsarbeit in Spanien gegen die Verdächtigen aus der „Operacion Puerto“. Auch die Verzögerungstaktiken im Clenbuterolfall Alberto Contadors waren kein Ruhmeszeichen für den Verband, auf dessen Territorium die Titelkämpfe gerade stattfinden. Als energisch oder auch nur konsequent kann man den Aufklärungswillen vom Bund Deutscher Radfahrer und Nada bezüglich des Freiburger Dopingsystems ebenso wenig bezeichnen. Die italienische Sportjustiz und die Usada sind da wesentlich weiter. Das internationale Tribunal soll nun für Gleichbehandlung auf Profiebene sorgen. Natürlich verfolgt die UCI damit auch eigene Interessen. Zuletzt erlitt sie eine Niederlage mit dem auf verdächtigen Blutwerten beruhenden Verfahren ihrer Antidopingstiftung CADF gegen den Tschechen Roman Kreuziger. Dessen Heimverband sprach ihn frei.
Cookson verwies darauf, dass das Tribunal nicht eine Reaktion auf einzelne Fälle sei, sondern die Gesamtsituation im Radsport verbessern soll. Man kann dem vor einem Jahr gewählten Präsidenten nicht absprechen, dass er genau das im Sinn hat. Er hat etwa Impulse zur Entwicklung des Frauenradsports gesetzt mit neuen Rennen wie La Course und Internet-Livestream der Weltcuprennen. Zu einem seiner wichtigsten Wahlversprechen gehörte auch die Aufklärung der Dopingvergangenheit im Sport. Vor dem Abschluss der Arbeit der dafür gegründeten Wahrheitskommission – der Bericht soll Anfang 2015 vorgestellt werden – verschärfte Cookson noch einmal die Gangart. „Wahrheit kommt vor Verzeihen“, sagte er – und forderte recht unverblümt Radsportmanager mit Dopingvergangenheit auf, vor der Kommission auszusagen. Auch mit einem anderen Erbe der Ära seines Vorgängers McQuaid räumte der Brite auf. Die von der UCI selbst veranstaltete Tour of Beijing, deren sofortige Aufnahme in den Pro-Tour-Kalender seinerzeit für viel Murren gesorgt hatte, wird eingestellt und die Abteilung der UCI, die weitere eigene Rennen organisieren sollte, aufgelöst. Auch dieser potenzielle Interessenkonflikt, Rennveranstalter und Rennkalender-Organisator zu sein, ist beseitigt. Der Weltradsportverband ist auf dem Wege, ein solider und sogar innovativer Apparat zu werden.