PRESS-SCHLAG : Eine Erklärung für alle Fälle
FAIR PLAY Paderborns Stefan Kutschke lässt sich fallen und wird für seine darauf folgende Intervention beim Referee allseits gefeiert
Klasse, klasse, einfach klasse“, lobte Gladbachs Trainer Lucien Favre. Sein Paderborner Kollege André Breitenreiter fand es „hundertprozentig super“. Christoph Kramer pries das Verhalten von Stefan Kutschke ebenso überschwänglich: „Riesenkompliment. So was braucht Sport.“ Und die TV-Journalisten konnten es sowieso überhaupt nicht fassen, welch einzigartige Szene sie da in der westfälischen Provinz eingefangen hatten.
Doch was war passiert? Um es kurz zu machen: Kutschke hatte eine klassische Schwalbe begangen, Kramer wurde dafür als vermeintlicher Übeltäter vom Schiedsrichter mit einer gelben Karte belangt, was diesen so außer Fassung brachte, dass ihm Kutschke doch noch beisprang und ihn von jeglicher Schuld freisprach. Der Referee nahm seine Sanktion zurück.
Es ist schon amüsant, wie schnell man in der Fußball-Bundesliga in den Olymp erhoben werden kann. Kutschke ist seit diesem Wochenende gewiss der heißeste Kandidat auf die DFB-Fairplaymedaille „Fair ist Mehr“, die alljährlich vergeben wird. So ist jetzt schon nahezu sichergestellt, dass dieser als so grundsympathisch gefeierte Aufsteiger am Ende der Saison etwas gewonnen hat. Eine gute Nachricht für all die vielen neuen Paderborn-Freunde.
Aber es könnte noch besser kommen. Der Vorfall wird auch international vergütet werden mit Bonuspunkten für die Fairplaywertung, mit der die Uefa weitere Europa-League-Teilnehmer ermittelt. Das unsägliche Losverfahren, an dem die oberfairen und ebenso Beschützerinstinkte auslösenden Freiburger einst mal scheiterten, ist ja glücklicherweise abgeschafft worden. Paderborn steht dank Kutschke womöglich nun auch vor dem internationalen Durchbruch.
Bei den nationalen und internationalen Fußballverbänden, die den Fairplay-Gedanken wie eine Monstranz vor sich hertragen, kann man mit anständigem symbolträchtigem Verhalten besonders gut punkten.
Dass die Szene in Paderborn, an der sich ganz Fußballdeutschland so ergötzt und begeistert, ohne die vorausgegangene Unsportlichkeit von Kutschke (Schwalbe) gar nicht erst möglich gewesen wäre, ist scheinbar völlig zweitrangig. Kramer erklärte, die Schwalbe hätte er zwar vermutlich erst gar nicht gemacht, danach wäre er aber wohl auch nicht zum Schiedsrichter gegangen. Und Letzteres blieb dann auch in seiner Bewertung der ausschließlich entscheidende Tatbestand.
Die einzige Gefahr für Paderborns europäische Ambitionen könnte nun darin liegen, dass dieser Vorfall manch einen zur Nachahmung animieren könnte: Zuerst möglichst gekonnt den Gefoulten zu mimen, um danach den Schiedsrichter zu beschwichtigen: „Nein, das war doch nichts. Das muss ich aus Fairnessgründen einfach zugeben.“ Eine Erklärung für alle Fälle hatte Kutschke schließlich auch schon mitgeliefert. Er sei ausgerutscht, sagte er. JOHANNES KOPP