: Europa will nicht „Knecht“ der USA sein
Europaparlament kritisiert die Anwendung von diskriminierenden US-Gesetzen in EU-Unternehmen
BRÜSSEL taz ■ Das Europaparlament unterstützt Ratspräsidentin Angela Merkel dabei, die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA zu stärken. Abgeordnete aus fast allen Fraktionen sagten gestern in Straßburg, dass mit Europas größtem Handelspartner noch bessere Geschäfte möglich sein sollten als bisher. Der Weg dazu führt, wie der deutsche Staatsminister Gloser erklärte, über „regulatorische Konvergenz“. Beim Gipfel nächste Woche wollen die USA und die EU Handelshemmnisse abbauen, die durch unvereinbare Vorschriften und Gesetze entstehen.
Wie das in der Praxis aussehen könnte, davon vermittelten gestern einige österreichische Abgeordnete einen Vorgeschmack. Sie berichteten zum offensichtlichen Entsetzen des in der Debatte anwesenden Antidiskriminierungskommissars Vladímir Špidla über den Fall Bawag. Ende vergangenen Jahres unterzeichnete die US-Finanzgesellschaft Cerberus einen Kaufvertrag für die österreichische Gewerkschaftsbank. Anfang April kündigte dann der Vorstand der Bank die Konten aller in Österreich lebenden Kunden mit kubanischem Pass.
Bawag-Pressesprecher Thomas Heimhofer sagte der taz auf Anfrage, dies sei „eine völlig autonome Entscheidung des Vorstands, um die Geschäftsbeziehungen mit US-Partnern nicht zu gefährden“. Auch bei anderen Banken sei es gängige Praxis, die Vorschriften des amerikanischen Helms-Burton-Act, der amerikanischen Unternehmen und Privatleuten jegliche Geschäftsbeziehungen mit Kuba untersagt, freiwillig zu übernehmen.
Dem Deutschen Bankenverband allerdings ist kein einziger Fall bekannt, wo eine Bank mit US-Eigentümer so gehandelt hätte. So sieht die Citibank Düsseldorf keine Veranlassung, ihren kubanischen Kunden zu kündigen. Kommissar Špidla sagte gestern im Plenum, „dass eine solche Entscheidung der Kommission angezeigt werden müsste. Nach unseren Rechtsvorschriften ist es nicht möglich, solche Maßnahmen zu akzeptieren.“ Spidla wusste zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht, dass die Bank derzeit noch gar nicht in US-Hand ist und die Kündigungen als freiwillige Geschäftspolitik beschlossen hat.
Der Ruf nach „regulatorischer Konvergenz“ jedenfalls erhält vor diesem Hintergrund einen Beigeschmack. Viele Abgeordnete betonten denn auch, die Verhandlungen mit den USA müssten „auf Augenhöhe“ geführt werden. Der grüne österreichische Abgeordnete Voggenhuber sagte: „Partnerschaft bedeutet Gleichberechtigung. Sonst ist das eine Beziehung von Herr und Knecht.“ Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, die rund 100 betroffenen Kubaner sollten sich zunächst an österreichische Gerichte wenden, um klären zu lassen, ob das Vorgehen der Bank nicht gegen Antidiskriminierungsgesetze verstoße.
DANIELA WEINGÄRTNER