: Wenn die Kirschen zu schnell wachsen
Um Personal zu sparen, züchten Konzerne pflegeleichte Kaffeepflanzen, deren Bohnen gleichzeitig reifen und bequem von Maschinen geerntet werden können. Auf Gentechnik setzt die Industrie auch zur Qualitätsverbesserung
Kaffee wird größtenteils in Handarbeit geerntet. Das ist vor allem deshalb nötig, weil Blüten, unreife, reife und überreife Früchte gleichzeitig am Baum hängen. Die Pflücker müssen daher immer wieder jeden einzelnen Strauch kontrollieren und die jeweils reifen Kaffeekirschen ernten. Das muss pünktlich geschehen, denn nach zehn bis 14 Tagen sind die Bohnen überreif, was die Qualität stark beeinträchtigt. Ein sehr personalintensives Verfahren. Um die Produktionskosten zu senken, versuchen große Konzerne allerdings seit einigen Jahren, die Arbeitsabläufe künstlich zu vereinheitlichen, um die Pflücker durch Maschinen zu ersetzen.
In Brasilien und Vietnam zum Beispiel gibt es inzwischen riesige Kaffeefelder, die nicht mehr am schwer zu bearbeitenden Hang liegen, sondern in den Ebenen. Dieser Kaffee kann problemlos maschinell geerntet werden. Das geht schneller und erfordert weniger Personal. Die Qualität leidet bei diesem Verfahren ganz erheblich, da unreife, reife und überreife Bohnen gleichzeitig geerntet und als so genannte Untermischer verwandt werden. Zu 80 Prozent bestehen die Kaffeemischungen etlicher Konzerne inzwischen aus minderwertigen Untermischern; nur 20 Prozent sind hochwertige Bohnen.
Um das Problem des damit verbundenen Qualitätsverlustes zu lösen, setzen viele Großkonzerne inzwischen auf Gentechnologie: Mit Hochdruck wird nach der „Super-Bohne“ für die Billigproduktion geforscht. Ihr Vorteil: Sie bringt doppelt so viel Ertrag wie die herkömmliche Bohne, hält sich doppelt so lange und bietet trotzdem ein exzellentes Aroma.
Erste Versuche mit genmanipuliertem Kaffee gibt es schon. So hat man einen Kaffeebaum gezüchtet, bei dem alle Kirschen gleichzeitig reifen und bequem von Erntemaschinen abgenommen werden können. Um das zu erreichen, wurde der Pflanze das natürliche Wachstumshormon Äthylen entzogen und künstlich wieder aufgetragen, sobald die Kirschen eine bestimmte Größe erreichten.
Noch wird bestritten, dass diese Pflanze im Kaffeeanbau eingesetzt wird. Doch genau weiß niemand, ob diese Praxis auf brasilianischen Plantagen nicht bereits üblich ist. Eins ist jedenfalls sicher: Sollte sich der Gen-Kaffee durchsetzen, müssten immer mehr Bauern die gentechnisch veränderten Pflanzen kaufen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wer das tut, bleibt zudem dauerhaft abhängig vom Produzenten: Patentrechte verbieten den Bauern schon heute, das Saatgut der genmanipulierten Pflanzen zu benutzen. Diese Rechte hält die Firma Monsanto, deren wirtschaftlicher Erfolg sich auf die Produktion von Agent Orange gründet – jenes Unkrautvernichtungsmittels, das die USA im Vietnamkrieg einsetzte und das Tausende vergiftete.
Die Forschung in puncto Genkaffee läuft indes auf Hochtouren: Die Universität von Hawaii machte Ansprüche auf ein Patent zur Reifungsförderung von Kaffeebohnen durch Äthylen-Blockade geltend. Die University of Glasgow entwickelte zusammen mit japanischen Forschern eine koffeinfreie Bohne. Nestlé hat ein Patent für ein gentechnisches Verfahren angemeldet, durch das Kaffee besser löslich gemacht werden kann. 1998 gab es erste Freilandversuche in Französisch-Guayana. Bereits seit langem wird GVO-Maltol (E 636) aus Genmais bei der Kaffeeröstung als Geschmacksverstärker eingesetzt.
Wer sicher sein möchte, dass er keinen Gen-Kaffee trinkt, sollte das „braune Gold“ von El Rojito, der Gepa, Rapunzel oder zapatistischen Kaffee vom Café Libertad kaufen: Jeder gut sortierte Bioladen führt diese Produkte. BG