: Der Buhmann bleibt gelassen
Ungerührt nimmt Hans-Heinrich Sander Rücktrittsforderungen von SPD und Grünen entgegen. FDP und CDU verteidigen den als Agrarfundamentalist und Umweltzerstörer attackierten Umweltminister aus Niedersachsen
Hans-Heinrich Sander ist sonst eher ein wibbeliger Typ. Doch an diesem Tag nimmt er die Schläge von SPD und Grünen äußerlich gelassen entgegen. Dabei fordert die Opposition im Landtag die Entlassung von Niedersachsens FDP-Umweltminister. Immer feste druff: Sander sei der „Gau für die Umwelt in Niedersachsen“, donnert etwa SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Sander sei „peinlich“, ein „Agrarfundamentalist“ und stelle „Umweltzerstörung in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit“. „Die ökologische Sensibilität einer Kettensäge und die Problemlösungskompetenz einer Heckenschere“, attestiert wiederum Stefan Wenzel von den Grünen dem Minister.
In den vier Jahren seiner Amtszeit hat er sich zum Buhmann im Kabinett von Christian Wulff (CDU) entwickelt. Teile des Regierungslagers meinen aber, der 63-Jährige sei als eine Art Prellbock unersetzlich: Sozialdemokraten und Umweltbewegte könnten sich wunderbar an ihm abarbeiten. Andere indes finden ihn inzwischen genauso entsetzlich wie die Opposition. Vor allem bei der CDU mehren sich die Zweifel, ob bei den Wahlen in neun Monaten mehr von niedersächsischer Umweltpolitik im Gedächtnis der Leute haften bleibt als die Bilder von Sander im „Kerngesund“-Shirt in Schacht Konrad. Oder von seinem jüngstem Eklat: Den Fotos aus dem November, als der Landwirt mit seiner eigenen Kettensäge im Biosphärenreservat Elbtalauen eigenhändig eine Weide fällte – für den Hochwasserschutz.
Wegen diesem „Kettensägenmassaker“ Sanders hat die EU inzwischen ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Außerdem wirft sie ihm „Illoyalität“ vor, weil sein Ministerium Karten vorenthalten habe. Die Liste der Vorwürfe von SPD und Grünen war gestern viel länger: Sander zerschlage Umweltverbände, die eigene Verwaltung, wettere gegen Windräder und für Atompolitik. Und und und.
Sander betreibe „Umweltpolitik mit den Menschen“, befand hingegen FDP-Fraktionschef Philipp Rösler. Er sei deshalb „außerordentlich beliebt“, Jüttner dagegen versuche, das Thema für den Wahlkampf auszuschlachten. Und überhaupt: Aus FDP-Sicht sei der Sozi ein niedersächsischer Don Quichote: „Sie sind ein Oppositionsführer von wahrer trauriger Gestalt.“
Auch Ministerpräsident Wulff verurteilte den „Klamauk“. Die Opposition gebrauche Rücktrittsforderungen „so inflationär, dass sie zur stumpfen Waffe werden“. Und Sander? Bei Gegenwind müsse man „cool“ bleiben, hatte er unlängst gesagt. Während der Debatte gestern schwieg er. Und war später fast bescheiden: „Mir geht es gut, weil Regierungsfraktionen und Ministerpräsident hinter mir stehen.“ Kai Schöneberg