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Archiv-Artikel

Rebellen fliegen Luftangriffe

Die tamilische Guerilla-Organisation LTTE bombardieren in der Nähe von Sri Lankas Hauptstadt Colombo zwei Öllager. Sachschaden gering, Prestigegewinn aber groß

Trotz Luftalarm: Die strategische Bedeutung der Angriffe ist eher gering

DELHI taz ■ Bei einem dritten Luftangriff der Guerillaorganisation LTTE innerhalb eines Monats ist die Bevölkerung von Colombo in der Nacht auf den Sonntag mit dem Schrecken davongekommen. Innerhalb von dreißig Minuten gelang es zwei Propellerflugzeugen der „Tamil Eelam Air Force“ (TAF), in den gesperrten Luftraum über der srilankischen Hauptstadt einzudringen und über zwei Öllagern Bomben abzuwerfen. Der Schaden blieb gering, denn mit Ausnahme eines Gastanks wurden nur ein Bürogebäude getroffen.

Beide Ziele befanden sich zwischen dem internationalen Flughafen im Norden Colombos und dem Stadtzentrum. In einer der angegriffenen Anlagen brach ein Feuer aus, das binnen einer Stunde wieder unter Kontrolle war. Über Opfer wurde nichts bekannt. Sri Lankas Luftwaffe flog noch am Sonntag Vergeltungsangriffe. Kurz nach den LTTE-Angriffen wurden die Flugabwehrsysteme am Hafen, im Armeehauptquartier, im Verteidigungsministerium und am internationalen sowie nationalen Flughafen Colombos aktiviert.

Am 26.März hatte ein ähnlicher Angriff auf das Zentrum der srilankischen Luftwaffe in derselben Stadtgegend mehrere Tote gefordert. Und vor zehn Tagen hatte die TAF den Flughafen von Kankesanthurai im Norden der Halbinsel Jaffna angegriffen. Wiederum waren dabei Menschen zu Schaden gekommen. Die meisten Bewohner schliefen nicht, als nach Mitternacht plötzlich Sirenen ertönten und dumpfe Explosionen hörbar wurden, gefolgt vom Rattern von Maschinengewehren und Luftabwehrkanonen. Die Leuchtspuren der Geschosse waren weithin sichtbar, als die Behörden darauf den Strom abstellten und Colombo ins Dunkel gehüllt wurde, um weiteren Angreifern die Orientierung zu erschweren. Währenddessen kämpfte in Barbados, auf der anderen Seite der Weltkugel, das nationale Cricketteam gegen Australien um den Sieg im Weltcup. Fünf Tage zuvor, beim Halbfinale, hatten die Tamil Tigers eine 24-stündige einseitige Waffenruhe verkündet. Viele cricketverrückte Sri Lanker hofften, dass die LTTE auch auf das Finale Rücksicht nehmen würde, umso mehr als dem nationalen Team auch einige Tamilen angehören. Es zeigte sich jedoch, dass die Kampfeinstellung nur eine Finte war.

Bereits am Samstagmorgen hatte die Angst vor der Infiltration von Guerillas die Polizei dazu geführt, alle Zufahrten in die Hauptstadt abzuriegeln und den Verkehr streng zu kontrollieren. Auch ein erneuter Luftangriff wurde befürchtet, doch wiederum gelang es zwei Flugzeugen, trotz Radarkontrollen rund 450 Kilometer zurückzulegen, bevor sie kurz vor Erreichen des Luftraums von Colombo entdeckt wurden. Beide Maschinen kehrten offenbar unversehrt wieder an ihre Basis zurück, die im Dschungelgebiet südlich der Halbinsel Jaffna vermutet wird.

So spektakulär solche Angriffe auch sind, ihre strategische Bedeutung ist beschränkt. Experten vermuten, dass die LTTE über etwa ein halbes Dutzend solcher einmotoriger Propellerflugzeuge verfügt, die aus tschechischer Produktion stammen und vermutlich in Teilen ins Land geschmuggelt worden sind.

Die politische Ausbeute dagegen ist groß. In einem Augenblick, wenn der LTTE auf dem Boden schwere Verluste erleidet und bereits ihr Ende vorausgesagt wird, gelingt es ihr, der Regierung und der Welt zu demonstrieren, dass sie dem Gegner immer noch einen Schritt voraus ist und ihre Fähigkeit zu Gegenschlägen intakt ist. Neuerdings stehen in den Gärten der schwerbewachten Residenzen von Colombos Politikerelite auch Luftabwehrkanonen.

Der 1983 begonnene Bürgerkrieg in Sri Lanka kostete bislang fast 70.000 Menschen das Leben. Die LTTE fordert einen unabhängigen Staat für die tamilische Minderheit. BERNARD IMHASLY