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Archiv-Artikel

Tausende gegen Rechtsextreme

Von Neubrandenburg bis Nürnberg: Bürger protestieren in vielen Städten gegen Neonazi-Aufmärsche zum 1. Mai. DGB-Chef Sommer verlangt Verbot der NPD

RÜSSELSHEIM taz/dpa/ap ■ Tausende Menschen haben sich gestern überall in Deutschland den braunen Maidemonstranten von NPD und „Freien Nationalisten“ entgegengestellt. In Dortmund forderte DGB-Chef Michael Sommer vor rund 2.000 Teilnehmern einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus ein Verbot der NPD. Ein Bürgerbündnis „Bunt statt braun“ mobilisierte viele tausend Dortmunder zu einem Straßenprotest. Gegen die Nazis demonstriert wurde auch in Erfurt, Nürnberg, Neubrandenburg und den hessischen Städten Rüsselheim und Raunheim.

In Dortmund nannte Sommer es „unerträglich“, dass die NPD nach ihrem Einzug in die Parlamente von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern unter dem „Schutzschild des Parteienprivilegs“ öffentliche Gelder kassiere: „Die NPD muss verboten werden.“ Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte in Nürnberg, man dürfe es der NPD nicht durchgehen lassen, dass sie in der Bevölkerung vorhandene Sorgen für ihre extremistischen Ziele instrumentalisiere.

In Nürnberg demonstrierten rund 5.000 Menschen gegen einen Aufmarsch von rund 200 Anhängern der NPD. Beckstein, der die Demokraten zum Zusammenhalt gegen die Nazis aufforderte, störten linke und autonome Demonstranten mit Sprechchören. Aus ihrem Kreis wurden auch Steine und Flaschen nach dem Innenminister geworfen.

Knapp tausend Antifaschisten aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet versuchten gegen Mittag in Raunheim am Main rund 200 Mitglieder und Sympathisanten von NPD und „Freien Kameradschaften“ an einem Zug durch das Viertel südlich der Bahnlinie zu hindern. Zunächst mit einigem Erfolg – und unter Inkaufnahme von Auseinandersetzungen mit der hessischen Polizei und der für die Bahnhöfe zuständigen Bundespolizei. Bei der Räumung der teilweise von jungen Nazigegnern besetzten Bahngleise kam es zu Festnahmen. Erst eine Stunde später als geplant konnten die Nazis dann ihren mit strengen Auflagen versehenen Zug durch das Wohngebiet beginnen, in dem die Raunheimer als Zeichen ihrer Abscheu alle Rollläden heruntergelassen hatten. So marschierten die Nazis mit schwarzen Fahnen und Flaggen der NPD und mit unerhörten Parolen wie „Freie Nationale! Radikale! Deutschland wir kommen!“ durch die Straßen. Auflagen verboten, zu trommeln oder Hunde mitzuführen. In der Stadtmitte feierten rund 1.000 Raunheimer zur gleichen Zeit ein Fest. Das Motto auch dort: „Bunt statt braun“.

Gegen 15 Uhr wollten die Nazis eigentlich mit der S-Bahn zum Weiterdemonstrieren „gegen die Globalisierung und für eine völkische Wirtschaft“ nach Rüsselsheim fahren. Doch schon seit 14 Uhr fuhr kein Zug mehr. Nazigegner hatten die Strecke blockiert. Die Nazis hatten angekündigt, durch ein Wohnviertel marschieren zu wollen, das die Polizei schon gegen Mittag abgeriegelt hatte. Parteien und Vereine feierten gegen den Nazi-Aufmarsch ein internationales Begegnungsfest in der Innenstadt.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT