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Archiv-Artikel

Nur wer arbeitet, wird deutsch

Einbürgerung von jugendlichen Migranten soll erschwert werden: Pass künftig nur bei Nachweis eines Einkommens. Integrationsbeauftragter Piening empört: „Politisch verheerendes Zeichen“

VON CHRISTINA HEBEL

Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening ist empört: Gerade den 16- bis 23-jährigen MigrantInnen soll die Einbürgerung erschwert werden. Wie die Erwachsenen sollen künftig auch Jugendliche ein eigenes Einkommen nachweisen. Die große Koalition im Bundestag will die Regelungen im Staatsbürgerschaftsgesetz in diesem Punkt noch im Sommer verschärfen.

„Der geplante Passus ist das völlig falsche Signal, politisch völlig verheerend“, sagte Piening gestern auf einer Pressekonferenz. Wer Einbürgerungshürden errichte, errichte Integrationshürden. In dem neuen Entwurf würden Ausnahmen nur bei Auszubildenden und Studierenden gemacht. Überspitzt heißt das: Den deutschen Pass würden die 16- bis 23-Jährigen nach Plänen der Koalition nur erhalten, wenn sie keine Hilfe vom Staat beziehen nur mit Arbeit also Pass.

Eine Gleichung, die so kaum aufgehen wird. „Wo finden Sie heute so einen geradlinigen Lebenslauf ohne Brüche? Es geht ja nicht so hintereinander weg: Schule, Ausbildung, Fachhochschulreife, dann Studium. Das ist eine völlig lebensfremde Vorstellung in Berlin“, sagte Piening.

40 Prozent der Ausländer hätten keine Arbeit in Berlin. Deshalb sei der Nachweis heute schon für viele Erwachsene bei der Einbürgerung eine „große Hürde“. Im letzten Jahr ließen sich trotzdem 8.186 MigrantInnen einbürgern, entgegen dem Bundestrend über 1.000 mehr als 2005 – eine „Trendwende“. Die meisten waren Türken (2.350).

Seit 2004 führt die Stadt eine Informationskampagne zur Einbürgerung durch. Unter dem Leitmotiv „Passt mir! Der deutsche Pass hat viele Gesichter“ werben eingebürgerte BerlinerInnen für die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein Angebot, das laut Piening „sehr gut“ ankommt.

Die 24-jährige Studentin Funda Gümüsdag ist eine von denen, deren Gesicht in der Broschüre zu sehen ist. „Ich habe die Kampagne von ganzen Herzen unterstützt, denn der deutsche Pass gehört zu meiner Identität. Ich bin schockiert über die geplante Änderung des Gesetzes. Das ist definitiv Ausgrenzungspolitik.“

Und so werden in den deutschen Pässen wohl vor allem die jungen Gesichter fehlen, sollte das Gesetz wie geplant in Kraft treten. „Für die jugendlichen MigrantInnen in Berlin wäre das katastrophal, weil wir doch wissen, dass sie oft eine schlechte Schulausbildung haben oder arbeitslos sind. Und dann grenzen wir sie noch aus und machen sie zu Sündenböcken“, sagte Özcan Mutlu von den Grünen. Betroffen seien in Berlin vor allem die muslimischen Jugendlichen. Dabei müssten sie doch integriert werden – auch in politische Entscheidungen. „Das ist fatal, die Jugendlichen so von Wahlen ausschließen zu wollen“, sagte auch Bilkay Öney, die integrationspolitische Sprecherin der Grünen, und forderte das Land Berlin auf zu handeln.

„Wir Bundesländer haben keine Chance mehr, wir haben alle Mittel ausgeschöpft“, sagte hingegen Roswitha Steinbrenner, Sprecherin der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Berlin hatte Ende April im betreffenden Ausschuss im Bundesrat versucht, die Rücknahme der Verschärfung zu erreichen – und scheiterte.

Am 9. Mai wird im Bundestag die nächste Anhörung zur Änderung des Staatsbürgergesetzes stattfinden: „Ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf punktuell noch geändert werden könnte, aber nicht mehr aufgeschnürt wird“, sagte Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag.

Piening geht nun auf Nummer sicher, auch wenn, wie er sagte, die Hoffnung zuletzt sterbe. Er rief die MigrantInnen dringend dazu auf, umgehend die jetzt noch geltende leichte Einbürgerung zu nutzen. Eile sei geboten, weil zu befürchten sei, dass sich „in einigen Wochen das Zeitfenster schließt“ und für viele Berliner Jugendliche die „einzigartige Chance auf Einbürgerung“ für lange Zeit verloren sei.