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Archiv-Artikel

Restauration und Mittelmaß

Das Dilemma des Baus ließe sich auf die Formel bringen: Mischnutzung essen Symbolkraft auf

Wenn Architektur gefrorene Musik ist, wie Arthur Schopenhauer einst fand, was ist dann der viereckige Kasten aus Stein mit dem grünen Messingmützchen, den der italienische Architekt Franco Stella auf dem Berliner Schlossplatz bauen darf? Der Eiswürfel der Restauration? Oder doch bloß ein Gletscher der Mittelmäßigkeit?

Sehr viel klüger wurden die Zuhörer nicht aus dem Zwischenbericht, den Stella und die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum am Mittwochabend in der Humboldt-Universität vorstellten. Zwar baut er kein richtiges Fake-Schloss. Die berüchtigten Barockfassaden machen nur einen kleinen Teil des Baus aus. Und das hübsch monoton gerasterte Belvedere zur Spreeseite ist Versicherungsarchitektur, wie sie zeitgenössischer nicht sein könnte.

Das Dilemma des Baus ließe sich vielmehr auf die Formel bringen: Mischnutzung essen Symbolkraft auf. Es wimmelt darin nämlich nur so von Multifunktionssälen und Fluchten von erhabener Leere. Seine eigentliche Kernkompetenz ist inzwischen jedoch unters Dach verbannt: Wer an den Exponaten der Ethnologischen Sammlungen und des Asiatischen Museums den Dialog der Kulturen üben will, muss in die Obergeschosse. Vorbei an den großzügig bemessenen Bibliotheken und Lesesälen im ersten Stock. Zusammen mit den nicht wiederhergestellten Historienräumen und halb rekonstruierten Portalen des alten Schlosses ergibt sich ein kantiger Bastard aus unvollendeter Geschichte und gut versteckter Interkulturalität.

Wer von Anbeginn Zweifel hegte, ob die überhaupt in solch einer Hülle zelebriert werden könnte, dem wurden sie am Mittwoch drastisch bestätigt. Als die grüne Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig von empörten Rentnern niedergebrüllt wurde, weil sie es wagte, mehr „zeitgenössisches Spiel“ an der Fassade des Baus zu fordern, und als ein etwas zu feuriger junger Mann aus dem Saal komplimentiert wurde, weil er alles für „feudale Scheiße“ hielt, wurde klar: Das Steingut für 552 Millionen Euro ist der identitätspolitische Liebling der Generation 60 plus. Der der Thronsitz der Qing-Dynastie aus dem China des 17. Jahrhunderts höchstens als Kontrastmittel recht ist, um die Chaiselongue aus der zerbombten Drap-d’or-Kammer des Kaisers ins nostalgisch rechte Licht zu rücken.

Womöglich wird dieser historische Gemischtwarenbunker tatsächlich zum „Publikumsmagnet“ werden, wie die Stiftung hofft, wenn er Ende 2017 denn wirklich öffnet. Der wahre Dialog der Kulturen dürfte weiterhin woanders stattfinden. In dem beliebten Treffpunkt der Easy-Jetter aller Länder in einem brackigen Spreearm am Rande Kreuzbergs etwa. Der beliebte Club hat sich nach jener Spezies benannt, die in Stellas Schlossbauhütte am seltensten zu finden ist: der der Visionäre. INGO AREND