Geld verbrennen für Klimaschutz

„Ich lasse mir den Erfolg der Dena nicht kleinreden“

VON TARIK AHMIA

Wäre diese Geschichte reine Fiktion, man könnte über eine Posse schmunzeln, in der Bürokraten den Klimawandel zu stoppen versuchen. Darin geben sich die Ehre: selbst ernannte PR-Beamte, die Millionen Euro in unmotivierte und in ihrer Wirkung kaum nachprüfbare Werbekampagnen stecken. Weitere Rollen übernehmen frustrierte Mitarbeiter, herrschsüchtige Chefs und Kontrolleure, die nach Jahren Alarm schlagen. All das muss aber nicht erfunden werden, denn die Wirklichkeit schreibt die schönsten Geschichten.

Schauplatz ist die Deutsche Energie-Agentur (Dena). Sie gilt als das bundesweite „Kompetenzzentrum für Energieeffizienz“. Ihr Hauptgeschäft ist es, mit Kampagnen und Analysen für den Ausbau erneuerbarer Energien und den sparsamen Umgang mit Energie zu werben. Ihr Chef Stephan Kohler ist politisch exzellent vernetzt. Der Duzfreund von Außenminister Walter Steinmeier gehörte, wie auch Exminister und Dena-Geburtshelfer Werner Müller, zum erlesenen Zirkel der Frogs: den „Friends of Gerhard Schröder“. Allerdings hat Kohler gerade mächtig Ärger: Die Dena steht unter dem Beschuss des Bundesrechnungshofs und verliert seit längerem reihenweise Personal – zuletzt ließ sich sogar seine Geschäftsführerin beurlauben.

Intern sorgten die Prüfer einer Zweigstelle des Bundesrechnungshofes schon vor Monaten für Unruhe in der Dena-Chefetage. Mit Datum vom 4. September 2006 stellten sie in einem internen Bericht erhebliche Mängel bei der Zuweisung öffentlicher Mittel an die Dena fest. So habe das Bundesministerium für Umwelt (BMU) im Jahr 2002 ohne jede Ausschreibung der Dena 2,7 Millionen Euro für eine Klimaschutzkampagne überwiesen. Die Prüfer monieren auch, davon seien 55.000 Euro von der Dena zweckentfremdet worden.

Gegenüber der taz weist Dena-Chef Kohler die Vorwürfe jedoch pauschal zurück. Er pocht darauf, alle Mittel seien stets korrekt verwendet worden: „Kein Geld wurde zweckentfremdet. Für jedes Projekt erstellen wir detaillierte Verwendungsnachweise.“ Alle vom Rechnungshof kritisierten Ausgaben seien vom Wirtschaftsprüfer „ohne Einschränkung testiert worden“, so Kohler.

Das BMU ließ sich mit seiner Antwort auf die Kritik der Rechnungsprüfer Zeit. Erst Ende März schickte das Ministerium eine wachsweiche Entgegnung: Der Verzicht auf die Ausschreibung erkläre sich damit, es sei „politischer Wille“ gewesen, die Dena in die Klimaschutzkampagne mit einzubeziehen und sie zu einer nationalen Energieagentur auszubauen. Aus dieser Gründungshistorie der Dena ergebe sich, sie bei der Vergabe öffentlicher Mittel zu berücksichtigen.

Wo das nicht direkt möglich war, half man nach. So verpflichtete das Bundesministerium für Wirtschaft etwa im Jahr 2004 die Außenhandelskammern im Rahmen einer „Exportinitiative Erneuerbare Energien“, einen Teil der 2,3 Millionen Euro Fördergelder in Dena-Aufträge zu investieren. Erst seit diesem Jahr werden die bemängelten Aufträge als Reaktion auf die Kritik des Rechnungshofes ausgeschrieben.

„Die Leitung der Dena ist ihren Aufgaben nicht gewachsen“

Die Vorwürfe der Prüfer lösen allerdings für Kenner der Energieszene ein Déjà-vu aus. Nach taz-Informationen ist Stephan Kohler schon einmal unter ähnlichen Beschuss geraten. Vor seiner Karriere als Dena-Chef leitete Kohler die Energieagentur Niedersachsen, die 1991 vom Land Niedersachsen und der Veba AG gegründet wurde. In Kohlers Amtszeit geriet das Unternehmen in große Turbulenzen, wie ein Bericht des dortigen Landesrechnungshofes belegt.

Dieser stellte Kohler im Jahr 2003 nachträglich ein niederschmetterndes Zeugnis aus. „Gravierende Managementfehler und schwere Mängel“ stellten die Prüfer fest. „Eine Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung konnte nur durch anteilige Verlustübernahme der Gesellschafter abgewendet werden“, heißt es in ihrem Bericht. Projektkosten wurden selten überwacht, so dass es bei einzelnen Aufträgen „ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ gab. So kostete etwa die Herstellung einer Tagungsbroschüre umgerechnet 500 Euro pro Exemplar. Ende 2003 wurde die Niedersächsische Energie-Agentur aufgelöst. „Arbeit kann immer erfolgreicher sein“, sagt Kohler zu dem Bericht heute rückblickend. „Nobody is perfect. Ich bin ein Mensch, der arbeitet, auch ich mache Fehler“, so der Dena-Chef.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sieht in der neuen Kritik der Rechnungsprüfer eine „gravierende Parallele“ zu Kohlers Wirken in Niedersachsen. „Wir haben mit Missständen zu tun, die zeigen, dass die Dena nicht funktioniert“, sagt Fell zur taz. Der Energiewirtschaftler Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken sieht in der aktuellen Kritik gar Belege für „handwerkliche Fehler einer Geschäftsführung, die ihren Aufgaben nicht gewachsen ist“. Kohler weist das zurück: „Ich habe innerhalb von sechs Jahren eine international anerkannte Institution für das Thema Energieeffizienz aufgebaut. Diesen Erfolg lasse ich mir nicht kleinreden.“

Kohlers tatsächlichem Erfolg wollten die Grünen im Bundestag mit nicht weniger als 31 Fragen einer kleinen Anfrage auf den Grund gehen. Ein großer Drang zur Offenheit ist den gerade erteilten Antworten der Bundesregierung jedoch nicht anzumerken. So wollten die Grünen etwa wissen, mit welchem Ergebnis Dena-Projekte evaluiert wurden. Staatssekretär Joachim Wuermeling listet pflichtgemäß acht unabhängige Evaluationsvorhaben auf – ohne ein Wort über deren Ergebnis zu verlieren. Immerhin bestätigt die Bundesregierung, dass sie der EU-Kommission eine Dena-„Mobilitäts Kampagne“ gemeldet hat, die es noch gar nicht gibt – ein sehr unübliches Vorgehen. Stephan Kohler hat auch hierfür eine Erklärung: „Die Kampagne gibt es – aber wir sind noch nicht am Markt, weil wir die Partner noch nicht zusammenhaben.“

Während die Bundesregierung in vielen Antworten zur Anfrage „keinen Handlungsbedarf“ sieht, fordert der Grüne Hans-Josef Fell: „Es muss überprüft werden, ob Herr Kohler seiner Aufgabe gewachsen ist.“ Denn in der Agentur herrscht zudem schon lange eine hohe Fluktuation: 43 der knapp 100 Beschäftigten verließen in den letzten drei Jahren das Unternehmen, darunter 6 Bereichsleiter in den letzten zwei Jahren. Stephan Kohler erklärt den Personalschwund mit der projektgebundenen Arbeit der Dena: „Die Fluktuation liegt an den 40 Prozent Zeitarbeitsverträgen, die wir bei der Dena haben.“ Außerdem würden viele junge Mitarbeiterinnen nach zwei, drei Jahren das Unternehmen wechseln, so der Dena-Chef. Ex-Dena-Beschäftigte weisen auf eine weitere mögliche Ursache hin: Das „miserable“ Betriebsklima treibe die Mitarbeiter aus dem Unternehmen.

Für Verwirrung sorgt auch die Rolle der Dena-Geschäftsführerin Andrea Weinert. In der vergangenen Woche machten Gerüchte die Runde, auch sie hätte ihren Posten aufgegeben. Während Stephan Kohler den Rückzug dementiert, befindet sich Andrea Weinert offiziell im Urlaub. Der taz sagte sie, sie wolle dazu öffentlich keine Stellung nehmen. Einen Betriebsrat, der den Vorgang kommentieren könnte, gibt es für die 100 Beschäftigten der Dena nicht.

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) ist ein Produkt der Ära Rot-Grün: Im Herbst 2000 hoben die damaligen Wirtschafts- und Umweltminister Werner Müller und Jürgen Trittin das Kompetenzzentrum aus der Taufe – als Aushängeschild der Bundesregierung für ein neues Energiezeitalter. Die Dena gehört bis heute der bundeseigenen KfW-Bank und den Ministerien für Wirtschaft, Umwelt und Verkehr. Diese vermitteln auch häufig Aufträge an die Dena, die sich ausschließlich über Projekte finanziert. Über 30 Millionen Euro öffentlicher Mittel hat sie seitdem in Anzeigenkampagnen, Studien und Werbung rund um erneuerbare Energien und sparsamen Umgang mit Energie gesteckt.

Organisiert ist das Unternehmen als GmbH. Diese Rechtsform erlaubte es der Agentur, Gelder in der Privatwirtschaft einzuwerben. Diese Einnahmen machten im vergangenen Jahr 55,3 Prozent des Budgets der Energie-Agentur aus. Zu den größten privaten Geldgebern gehören die vier großen Energiekonzerne Eon, EnBW, RWE und Vattenfall – Unternehmen, die bislang nicht gerade als große Verfechter des Energiesparens oder erneuerbarer Energien aufgefallen sind. TA

Der hätte auch zu einem weiteren Vorwurf etwas sagen können, den ehemalige Dena-Leute erheben. Sie beklagen, ihre Arbeit habe direkt unter den politischen Vorgaben der Unternehmensführung gelitten. So soll die Dena bei der „Initiative Energieeffizienz“ maßlos übertrieben haben, welche Verringerung des CO2-Ausstoßes allein diese PR-Kampagne bewirke.

Die 13 Millionen Euro teure Medienkampagne sollte die Deutschen dazu bewegen, „Stand-by“-Geräte ganz abzuschalten. Die Dena rechnete ihren Geldgebern vor, 2,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid würden eingespart. Doch Dena-intern hatten Fachleute die Wirkung für den Klimaschutz drastisch heruntergeschraubt. „Basierend auf wissenschaftlichen Zahlen der Wirkungsforschung liegt das tatsächlich eingesparte CO2 eher bei maximal 50.000 Tonnen“, so ein ehemaliger Dena-Experte. Belastbare Zahlen liegen jedoch bis heute nicht vor, „weil der Erfolg bei den Verbrauchern nicht direkt evaluierbar ist“, sagt Stephan Kohler. Er hält an den 2,3 Millionen Tonnen jedoch fest: „Diese Menge lässt sich aus dem Bekanntheitsgrad der Initiative und der Nachfrage nach energieeffizienten Geräten abschätzen.“

Fachleute fordern aufgrund des Gebarens der Dena grundlegende Konsequenzen. Der Saarbrücker Volkswirt Uwe Leprich hält die privatwirtschaftliche Struktur der Agentur für eine Fehlkonstruktion. Er kritisiert, die Arbeitsweise der Dena bewirke in der Praxis das Gegenteil ihres eigentlichen Auftrages, für mehr Energieeffizienz zu sorgen: „Mit ihrem Konzept einer konfliktfreien Effizienzstrategie verhindert die Dena wirksame Effizienzmaßnahmen“, so der Energiewirtschaftler. Denn die Dena sei darauf bedacht, die Energiewirtschaft und Industrie möglichst wenig mit Forderungen nach mehr Energieeffizienz zu belasten. „Stattdessen weist die Dena in ihren Kampagnen stets dem Verbraucher die Verantwortung für den sparsamen Umgang mit Energie zu“, so Leprich, der glaubt: „Die Dena ist Teil des Problems und nicht der Lösung“.