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Archiv-Artikel

Vom Mammutjäger zum Autofahrer

An der Liaison von Mann und Auto kann man sich immer wieder erfreuen. Und sich Gedanken machen über den Zusammenhang von Reparatur und Bier. Die Fotografin Brigitte Kraemer hat zwölf Jahre lang Männer und Autos fotografiert. Einige ihrer Fotos sind jetzt in Hamburg ausgestellt

VON PETRA SCHELLEN

Es kommt ja immer ein bisschen überraschend: Kaum sitzt der Mensch im Auto, mutiert er zum Löwen. Oder zum Puma. Zu irgendeinem aggressiven Etwas jedenfalls, das weder Radler noch Fußgänger kennt und fest ins Lenkrad beißt, sobald der da vorn zu langsam fährt.

Ein Symptom, das – warum auch immer – speziell bei Männern beobachtet wird und schon manch Anlass zur Reflexion geboten hat. Denn eigentlich ist das Auto ja nicht der Feind, sondern der Verbündete des Mannes. Und vielleicht ist diese Ambivalenz der Grund dafür, dass Männer unter der vermeintlichen Unzulänglichkeit ihres Gefährts besonders leiden – am Zu-langsam-Sein, am Zu-billig-Sein, am Nicht-schön-genug-Sein des geliebten Objekts.

Frauen – auch dies nicht neu – sehen das sachlicher. Für sie ist das Auto Gebrauchsgegenstand. Genau deshalb hat die in Westfalen geborene Fotografin Brigitte Kraemer so mitleidlos ablichten können, was Männer mit ihren Autos tun: Als Langzeitreportage ist die derzeit in Hamburg präsentierte Schau „Mann und Auto“ angelegt. Automessen, Autotreffen, Raststätten sowie Privatgaragen und -vorgärten hat sie von 1994 bis 2006 bereist und zu erfassen versucht, was einen erstaunlich großen Teil der männlichen Menschheit umtreibt: die Liebe zum Auto.

Natürlich hat Kraemer auch die Lust auf die Persiflage umgetrieben, aber im Grunde war das nicht nötig: Etliche Fotos sind realsatirisch und bedürfen keiner zusätzlichen Pointierung. Auch die Gender-Diskussion braucht hier nicht neu aufgerollt zu werden. Es genügt, sich zu ergötzen an dem, was man auch „Studie über das Leben der Eichhörnchen“ hätte überschreiben können. Denn was macht es schon, dass es zufällig Männer sind, die da so Bizarres tun?

Was soll man zum Beispiel von jenem Trucker halten, der Kniebeugen vor der Kühlerhaube seines Lasters macht, als wolle er Papi zeigen, was er alles kann? Eine tiefenpsychologisch interessante Projektion? Keiner weiß es; sicher ist nur, dass Extraterrestrische solch Gebaren für einen geheimnisvollen Ritus halten würden, vergleichbar der Verbeugung der Altägypter vor ihren Göttern. Und vielleicht huldigt unser Trucker ja tatsächlich irgendwem. Am Ende ist das Polieren des Autos ein ewig währender Dienst an einem Götzen, den man entweder gnädig stimmen oder erlegen muss: Mit aller Kraft zielt ein bayerisch gekleideter Herr mit einem Wasserschlauch auf einen Kleinwagen, als müsse er ein mittleres Mammut erlegen.

Ein anderer hat es bereits geschafft: Wie ein erlegter Elchkopf prangt in seiner Privatgarage die Rover-Motorhaube über seinem Kopf. Glücklich summend repariert das Männlein darunter irgendetwas Filigranes. Vielleicht stimmt es ja, dass „der Mann an sich“ täglich vom Cowboy-Dasein träumt und sich gern mit Präriepferden oder – so nicht vorhanden – kaum abgekühlten Motorhauben ablichten lässt.

Womöglich ist auch wahr, was frau nie recht glauben mochte: dass der Mann sich erst mit Wagen vollständig fühlt. Warum sonst sollten die beiden Herren mittleren Alters sich zwar am Ufer eines Gewässers niedergelassen haben, ohne sich aber allzu weit vom Auto zu entfernen? Eine Reminiszenz an die Säbelzahntiger-Jagd, bei der man jederzeit fliehen können musste? Und der junge Bürohengst, der stolz auf das neben Tulpen geparkte Porsche-Wunder blickt: Fühlt er sich jetzt erst vollständig, geadelt durch das edle Gefährt?

Möglich wäre es, wobei sie ihm nur leis ins Gesicht geschrieben steht, die Tragik, die jeder Sportwagenbesitz mit sich bringt: die Tatsache, dass man sich, um noch mit dem Wagen identifiziert zu werden, nicht außer dessen Sichtweite begeben darf. Ein Detail, das bereits manche Verwicklung gebar.

Andererseits ist das Auto ja so wunderbar pflegeleicht: Putzt man es, wird es glänzen, lässt man den Motor an, wird es fahren. Es quasselt nicht, boxt nicht, klaut nicht. Es steht maximal als von H. A. Schult geschaffenes Flügelauto auf irgendeinem Kölner Museumsdach und erinnert an die Konsumkritik, die es ja auch noch gibt.

Doch das ist es nicht, was die Männer auf Kraemers Fotos interessiert. Nein, sie haben im Auto einen dankbaren Abnehmer für Zärtlichkeit gefunden, die so konsequent wie unbegreiflich scheint: Warum nur muss der Weißgekleidete mitten auf dem Feld sein blaues Auto mit einer blauen Bürste hätscheln? Und warum macht Autoreparatur mehr Spaß, wenn man erstens unter Selbigem liegt und zweitens ein Bier in Reichweite hat? Schmeckt’s Bier zum Reparieren besser? Oder gibt’s die Reparatur als Belohnung zum Dessert? Und dann Marke Ost: Warum nur hat der Brandenburger Blondie neben das Radkappen-Spezialweichputztuch und den Bierbecher auch eine Rolle Klopapier aufgestellt?

Wie auch immer – sicher ist, dass Mann und Auto am liebsten verschmölzen. Auf manchem Schrottplatz dieser Republik ist dieser Zustand fast erreicht: Nur ein Bein hängt noch aus dem gerade beackerten Autowrack heraus. Es könnte auch ein Bremsschlauch sein. Vielleicht ist das Bein das letzte Lebenszeichen. Irgendwann wird der Schrotthaufen auch das eingesogen haben.

Dann wird der Mann vollkommen glücklich sein. Zurückgekehrt in den Mutterschoß. Denn eigentlich ist er, das weiß er seit langem, der Ur-Urenkel eines großen Autogottes. Oder der Vorfahr, je nach Religion. Und wer wollte das nicht: dereinst in Deutschland als Auto wiedergeboren werden?

Die Ausstellung „Mann und Auto“, die Fotos aus dem gleichnamigen, 2007 edierten Bildband präsentiert, ist bis 25.5. in der Hamburger Freelens-Galerie zu sehen. www.freelens.com/galerie