: berliner szenen Rauschendes Spiel
Was unwahrscheinlich ist
Am Nachmittag am Hermannplatz hatte ich dies schöne ägyptische Backgammonspiel gekauft; am Abend wollten wir es einweihen. A. kam vorbei, setzte sich aufs Sofa und drehte einen Joint. Immer wenn wir uns sehen, spielen wir Backgammon und kiffen. Manche sagen bestimmt: Was anderes fällt denen auch nicht ein, als Backgammon zu spielen mit Kiffen – ohne Kiffen und Backgammon könnten die nichts miteinander anfangen; man könnte es aber auch umgekehrt sehen.
Bekifft ist man zusammen in dem Raum, den das Spiel geöffnet hat. Die Außenwände des Raumes verhindern das sinnlose Wegdriften. Manche Kulturwissenschaftler behaupten, es gebe einen Zusammenhang zwischen den Rauschpräferenzen einer Gesellschaft und ihrer jeweiligen Regierungsform. In „autoritären“ Gesellschaften neige man dem tendenziell introspektivem Haschgift zu, in „freiheitlichen“ werde der expansive Alkohol bevorzugt.
Das Spiel ist nun sozusagen eine hilfreiche autoritäre Insel innerhalb der eigenen, freischaffenden Lebensunordnung. Das Hasch ist das Chaoticum auf dieser Insel, das den begrenzten Raum des Spiels intensiviert und vermutlich auch die Würfel beeinflusst. Eigentlich ging es uns beim bekifften Backgammonspielen immer um schöne Momente des Unwahrscheinlichen, die sich bis zu einem bestimmten Punkt des Berauschtseins zu häufen schienen: So würfelten wir zum Beispiel mehrmals hintereinander genau die Zahlen, die wir brauchten, manchmal würfelte aber auch einer ganz individuell etwa drei Päsche hintereinander. Sobald ich zu viel geraucht hatte, würfelte ich nur noch Quatsch. Darauf spekulierte der haschgewohntere Freund oft.
DETLEF KUHLBRODT