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Archiv-Artikel

Jugendamt vertreibt Roma

ZUWANDERUNG Aus Angst vor dem Bezirk sind die meisten Roma aus dem Görlitzer Park verschwunden. „Asyl in der Kirche“ kritisiert: Am Grundproblem ändere das nichts

„Die meisten haben es nicht einmal zum Jobcenter geschafft“

SASCHA LANGENBACH, BEZIRKSSPRECHER

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Die Drohung des Jugendamts Friedrichshain-Kreuzberg, den Roma am Görlitzer Park die Kinder zu entziehen, hat offenbar Folgen: Sechs von sieben Familien seien aus Angst vor dem Amt aus dem Park verschwunden, sagte am Montag Anna Schmitt von der Hilfsorganisation Amaro Foro. „Einige haben sich auf den Weg nach Rumänien gemacht, andere sind in Berlin untergetaucht.“ Das Jugendamt stattete dem Park bislang zwar keinen weiteren Besuch ab. Die Drohung der Inobhutnahme habe aber schon gereicht, um die Familien zu vertreiben, berichtete Schmitt.

Seit Jahren wohnen Roma im Sommer teils in Zelten, teils in Autos am Görlitzer Park. Vor drei Wochen überreichte ihnen eine Abordnung des Bezirksamts einen Brief, in dem sie aufgefordert wurden, zumindest für ihre Kinder eine Unterkunft zu suchen. Diese seien durch das Leben im Freien in Gefahr. „Wir werden in wenigen Tagen wiederkommen. Sollten Sie dann immer noch mit Ihren Kindern hier leben und übernachten, werden wir Ihre Kinder in Obhut nehmen“, hieß es in dem Schreiben. Die Familien reagierten völlig verängstigt. „Wenn sie uns die Kinder wegnehmen, bringe ich mich um“, sagte ein Vater im taz-Interview.

Am Vorgehen des Bezirks gab es deutliche Kritik. Die Integrationsbeauftragte des Senats, Monika Lüke, sagte: „Man sollte für die ganze Familie eine Lösung finden.“ In einem offenen Brief schrieb die Gruppe „Asyl in der Kirche“, die Drohung des Jugendamts habe zur Folge, dass die Familien ihre Kinder aus Angst nicht mehr zur Schule schickten und andere Brachflächen in Berlin suchten. „Dies ändert nichts an den Grundproblemen von fehlender Unterkunft, schwierigen hygienischen Bedingungen und fehlender Bildung der Kinder.“

Sascha Langenbach, der Sprecher des Bezirksamts, verteidigte das Vorgehen der Verwaltung. Viele der Familien kämen schon seit Jahren an den Görlitzer Park. Der Bezirk habe versucht, sie mit Sozialarbeitern und Sprachmittlern zu unterstützen. „Die meisten haben es trotzdem nicht einmal zum Jobcenter geschafft.“ In letzter Zeit habe es mehrere Anzeigen wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung gegeben. Sicher sei eine Inobhutnahme nur ein letztes Mittel. „Aber wir sind an einem Punkt angelangt, wo es nicht mehr weitergeht“, so Langenbach.

Auch Roma-Familien auf der Cuvrybrache hatten den Brief des Jugendamts erhalten. Doch nach einem Feuer dort wurde die Brache geräumt. Zwei der Familien zelten nun neben einem Wagenplatz, berichtete Schmitt von Amaro Foro. Für eine weitere Familie habe dank privater Unterstützung ein Wohnwagen gekauft werden können. Den parke die Familie nun jeden Tag um.