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Archiv-Artikel

Rügen haben kurze Beine

Der Kampf um die Dutschke-Straße ist nur einer von vielen zwischen taz und Springer

Die Entscheidung über die Dutschke-Straße: Am Mittwoch, 9. Mai, verhandelt das Verwaltungsgericht Berlin die Klage einer Anwohnergemeinschaft gegen die Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße. Die taz hatte die Initiative für eine Dutschke-Straße ins Leben gerufen. Der Axel Springer Verlag wiederum hatte sich massiv gegen die Umbenennung publizistisch wie juristisch stark gemacht. Der Kampf um die Dutschke-Straße – er ist nur einer von vielen zwischen taz und Springer:

Der Kino-Streit: Die Axel Springer AG ging gerichtlich gegen den taz-Kinospot „Kiosk I + II“ vor – und ließ die Ausstrahlung des Spots von Jens Junker und Philipp Haucke von der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, der im Herbst 2005 bundesweit lief, zu Werbezwecken verbieten. Der Spot erzählt die Geschichte eines Bild-Lesers, den sein Stammkioskbesitzer dadurch entsetzt, dass er ihm statt seiner Bild die taz anbietet. Der Kioskbesitzer hat sich aber nur einen Scherz erlaubt – und holt dann die Bild unter seinem Kiosktresen hervor. In einem zweiten kurzen Werbespot verlangt der Bild-Leser eine taz – und lacht dann seinen irritierten Kioskbesitzer aus, weil er diesmal ihn aufs Glatteis geführt hat. Die Springer AG sah darin „rufausbeutende“ vergleichende und „verunglimpfende“ Werbung. Bild-Leser würden „in einer Weise herabgesetzt und herabgewürdigt, die wir nicht akzeptieren können“, sagte damals eine Sprecherin des Konzerns. Das Landgericht Hamburg gab Springer in erster Instanz recht. Die taz hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Diese wird am 20. Juni beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg verhandelt. Was Springer nicht verhindern konnte: Der taz-Kinospot erhielt vier Auszeichnungen – den Porsche-, Spotlight- und ADC-Nachwuchspreis sowie den renommierten First Steps Award.

Der Hymnen-Streit: Das zur Axel Springer AG gehörende Berliner Boulevardblatt B.Z. ließ im Frühjahr 2006 wissen, der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele habe die Deutschlandhymne auf Türkisch gefordert. Von einer Forderung Ströbeles konnte jedoch überhaupt keine Rede sein. Die taz schrieb daraufhin, die B.Z. habe Ströbele falsch zitiert. Diese Behauptung wollte der B.Z.-Chefredakteur Walter Mayer nicht auf sich sitzen lassen und forderte über seinen Anwalt von der taz eine Gegendarstellung. Darin wurde aber nicht nur das Falschzitat bestritten, sondern in der Entgegnung behauptet, Hans-Christian Ströbele habe der B.Z.-Redaktion bestätigt, dass diese ihn völlig richtig zitiert habe. Ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zwecks Abdruck der Gegendarstellung fügte die B.Z. allerdings im vermeintlich eigenen Interesse eine Korrekturmeldung Ströbeles bei, in der er zwar bestätigt, dass die direkten Zitate in der B.Z. völlig richtig gewesen seien. Weiter ließ Ströbele jedoch verlauten: „Nicht richtig ist allerdings, dass er (Ströbele, Anm. der Redaktion) sich für eine offizielle türkische Version oder Übersetzung der deutschen Hymne ausgesprochen oder gefordert hat, die Hymne in türkisch zu singen.“ Das Landgericht Berlin hielt deshalb die Gegendarstellung für „offensichtlich irreführend, weil der […] Korrekturmeldung zu entnehmen ist, dass Herr Ströbele gerade nicht in allen Punkten richtig zitiert worden ist. Er hat sich nicht, wie in der B.Z. vom 3. Mai 2006 berichtet, für eine offizielle türkische Version oder Übersetzung der deutschen Hymne ausgesprochen oder gefordert, die Hymne in türkisch zu singen. Die Gegendarstellung erweckt demgegenüber den Eindruck, die Berichterstattung sei völlig korrekt gewesen und entspreche dem, was Herr Ströbele gesagt habe.“ Deutliche Worte, wie sie die Boulevardzeitung B.Z. eigentlich liebt.

Die Bild-Kampfhunde: Im März 2006 war in der taz eine Kolumne in der Rubrik „Geschöpfe“ zu lesen, in welcher der Autor seine widerstreitenden Gefühle beschrieb, die er hatte, als er eine (nicht durch ihn) schwer verletzte Hündin töten musste, um sie von ihrem Leid zu erlösen. Die Bild-Zeitung ließ daraufhin statt Blut zwar nur Druckerschwärze fließen – davon aber reichlich. Unter der Ankündigung „Wirbel um den Bericht eines ‚taz‘-Autors“ hieß es in knochenstarken Lettern: „Das bizarre Protokoll einer Hunde-Tötung“. Wenn es hier freilich „Wirbel“ um den Text in der taz gab, dann allein dank Bild. Garniert war das nicht nur mit dem übergroßen Kolumnenfoto des taz-Autors, sondern auch mit der herzzerreißenden Phantomzeichnung einer Hündin: unverletzt und zufrieden ihre Welpen säugend. Ein Motiv, das jeder Tierschutzkampagne Rekordspenden beschert hätte. Die Wirkung freilich war kalkuliert: Nicht nur hatte Bild das Lamento eines Tierschützers veröffentlicht, sondern ihren Artikel auch mit einem fett gedruckten Hinweis auf die Telefonnummer und E-Mail-Adresse bei der taz und dem süffisanten Hinweis versehen, der taz-Journalist habe seine Leser aufgefordert, „ihm die Meinung zu sagen“. Auch wenn sie allen Grund gehabt hätte, biss die taz nicht zurück. Übrigens: Auch der Presserat konnte in der taz-Kolumne keinen Verstoß gegen den Pressekodex erkennen. Die Bild selbst hat freilich ein Dauerabo, was Sanktionen des Presserats betrifft: Von insgesamt 29 Rügen im Jahr 2005 ergingen allein 7 gegen die Bild einschließlich ihrer Regionalausgaben. Bei der taz: Fehlanzeige.

Der Penis-Prozess: Sie wissen schon, die legendäre Wahrheit-Satire über Bild-Chefredakteur Kai Diekmann (neun Zentimeter). Er wollte Schmerzensgeld – doch er bekam nur Häme und Spott. THILO KNOTT, PETER SCHEIBE