: Kapitalflucht in Kiruna
EISHOCKEY Weil sich ein schwedischer Verein für die Rechte Schwuler einsetzt, hat er nun ein Geldproblem
STOCKHOLM taz | Homophobie im Sport lebt. Das muss nun auch der nordschwedische Eishockeyklub Kiruna IF erleben. Die Eishockeycracks aus der lappländischen Grubenstadt spielen seit dieser Saison in regenbogenfarbenen Trikots (siehe taz vom 17. Juni), weil sie ein Zeichen setzen wollen gegen die Homophobie im Eishockeysport und sich als erster schwedischer Sportverein um das „HBT“-Zertifikat – die Abkürzung steht für Homo, Bi, Trans – des schwedischen Schwulen- und Lesbenverband RFSL bewerben: eine Bestätigung dafür, dass ein Unternehmen die Rechte von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen respektiert und ihnen eine gleichberechtigte Arbeitsumwelt bietet.
Die Initiative fand viel nationale und internationale Aufmerksamkeit. Doch für den Verein selbst ist das „Akzeptanz-Projekt“, wie die Initiative offiziell heißt, teuer geworden. Gleich eine ganze Reihe der bisherigen Sponsoren sind abgesprungen. Bei einzelnen passiere das zwar jedes Jahr, meint der Vorsitzende Johan Köhler: „Aber es sind zu viele. Der Schluss liegt nahe, dass sie uns aufgrund unserer Positionierung den Rücken gekehrt haben.“ Man lebe „in einer männlich dominierten Stadt“, spiele einen „männlich dominierten Sport“ und viele Leute dächten „dass Schwule hier nichts verloren haben“.
Der Absprung von Sponsoren habe nicht nur dazu geführt, dass man Personal entlassen musste. Man war auch gezwungen, einige für diese Saison geplante Neuverpflichtungen von Spielern abzusagen, mit deren Hilfe man hoffte, den Sprung von der dritten in die zweite Liga zu schaffen.
Nachdem im September die Sponsorenflucht und die damit verbundenen finanziellen Probleme öffentlich wurden, gab es umgehend Aufrufe in sozialen Medien, dem Verein zu helfen. Was nicht nur zu über 150 neuen Mitgliedern führte, sondern auch zur Kampagne eines PR-Büros mit der Aufforderung „Sponsoren, helft Kiruna IF“. Landesweit wurden „Unternehmen mit Sozialverantwortung“ aufgefordert, dazu beizutragen, die Finanzierungslücke des Klubs zu schließen. Einen neuen Sponsor in Form eines Medienunternehmens konnte der Verein schon melden, mit anderen wird noch verhandelt.
„Aufgeben kommt absolut nicht in Frage“, betont Johan Köhler: Man habe an der diesjährigen Stockholm-Pride teilgenommen, alle Spieler und Funktionäre seien zu „HBT-Fragen“ geschult worden und nun würden die Spieler Schulklassen besuchen. „Wir sehen uns da mittlerweile auch in einer gesellschaftlichen Verantwortung“, sagt der Vereinsvorsitzende: „Da sagen wir lieber Nein zu denen, die nicht voll hinter unserem Akzeptanzprojekt stehen.“
REINHARD WOLFF