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Archiv-Artikel

„Versager, geht nach Hause!“

In Tel Aviv fordern 150.000 Demonstranten Premierminister Ehud Olmert und Verteidigungsminister Amir Peretz zum Rücktritt auf. Seit dem am Montag veröffentlichten Untersuchungsbericht zum Libanonkrieg stehen beide zunehmend unter Druck

„Sie sind entlassen“

AUS TEL AVIV SUSANNE KNAUL

„In einer Demokratie muss jeder Bürger Verantwortung übernehmen“, sagt Tali Limor. Deswegen hat sich die Musikstudentin aus Tel Aviv mit rund 150.000 Demonstranten vorgestern Abend auf dem Rathausplatz in Tel Aviv versammelt. Gemeinsam wollten sie vor allem Regierungschef Ehud Olmert zum Rücktritt zu bewegen. „Versager, geht nach Hause!“, war das Motto. Es galt auch Verteidigungsminister Amir Peretz. „Peretz, tritt zurück!“, stand auf Transparenten der alle Generationen umfassenden Demonstranten.

Der Protest folgte dem am Montag veröffentlichten Zwischenbericht zum Libanonkrieg, in dem Olmert und Peretz schwerwiegende Fehler vorgeworfen werden. Der Untersuchungskommissionsvorsitzende Richter Eliahu Winograd hatte nicht zuletzt aus Mangel an eigenen Möglichkeiten das Volk zum Richter erklärt. Die Öffentlichkeit müsse die Konsequenzen aus den „Empfehlungen“ im Untersuchungsbericht ziehen, so Winograd. Ex-Justizminister Tommi Lapid bezweifelt hingegen, dass sich die Demonstranten mit Rücktrittsforderungen einen Gefallen tun: „Jeder weiß, dass Olmert, wenn er geht, von Benjamin Netanjahu abgelöst wird“, so Lapid. „Ich glaube nicht, dass sich das viele wünschen.“ Für die Studentin Tali ist indes der Gedanke an das, was nach Olmert kommt, zweitrangig. „Diese korrupte Regierung muss gehen“, ist ihre Botschaft. „Vor allem Peretz hätte nie Verteidigungsminister werden dürfen.“

Das Polit-Happening ohne Politiker war begleitet von Musik und Ansprachen. Schriftsteller Meir Schalew erinnerte Olmert an dessen Worte, er sei vom Volk angestellt. „Sie sind entlassen“, sagte Schalew unter tosendem Beifall. An Peretz gewandt, der in einer pathetischen Rede zu Kriegsbeginn Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gedroht hatte, er werde den Namen Peretz niemals vergessen, sagte Schalew desillusioniert: „Wir auch nicht.“ In einer Schweigeminute gedachten die Demonstranten der Opfer des Krieges vom vergangenen Sommer.

LOB VON HISBOLLAH

Der Chef der Hisbollah in Libanon, Hauptgegner Israels beim Krieg von 2006, hat den israelischen Untersuchungsbericht begrüßt. Der Bericht zeige, dass Israelis „ihre Niederlagen auswerten“, während arabische Regierungen nach verlorenen Kriegen „keine Fragen stellen und keine Untersuchungen durchführen“, lobte Scheich Nasrallah auf einer Buchmesse in der libanesischen Hauptstadt Beirut. „Es ist schade, dass wir auf eine israelische Kommission warten müssen, um unseren Sieg zu bestätigen“, sagte er. Der Bericht zeige, dass Israel bereit sei, „hundert Olmerts zu opfern, damit Israel überlebt“.

Die Zahl der Teilnehmer war für israelische Relationen zwar beeindruckend, zumal keine der großen Bürgerbewegungen die Veranstaltung offiziell mittrug. Dennoch reichte sie nicht an frühere Proteste nach dem Jom-Kippur-Krieg oder nach dem Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila heran. Anfang der 80er-Jahre hatten doppelt so viele Menschen gegen den damaligen Verteidigungsminister Ariel Scharon demonstriert.

Während Peretz diese Woche angefangen hat, mit Parteifreunden über einen Rücktritt zu beraten, bleibt Olmert hartnäckig in seiner Haltung, die Fehler selbst bereinigen zu müssen und deshalb im Amt zu bleiben. Die Proteste taten Mitarbeiter im Premierministerbüro als „irrelevant“ ab. Relevant dürfte hingegen der Parteitag des sozialistischen Koalitionspartners sein. Übernächste Woche will die Arbeitspartei über den Ausstieg entscheiden. Ex-Kulturminister Ofir Pines-Pas zieht schon ab Sonntag vor Olmerts Büro, wo er zelten will, bis der Premier zurücktritt.

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