Die CO2-Dividende für den Verbraucher

Der IPCC-Bericht fordert: Die Menschen sollen sich klimafreundlicher verhalten. Zwei ungewöhnliche Modelle zeigen, wie das gehen könnte: die Kohlenstoff-Zentralbank und die Himmels-Treuhand

BERLIN taz ■ Wie können aus Verbrauchern Klimaschützer werden? Auch der dritte Teil des IPCC-Berichts stellt sich dieser Frage. Dort heißt es: „Veränderungen von Lebensstil und Verhaltensmustern können zur Linderung des Klimawandels beitragen.“ Wie jede Aussage in dem Bericht wird auch diese von den Wissenschaftlern des Weltklimarats auf ihre Stimmigkeit bewertet. Für diesen Satz gilt: Übereinstimmung hoch, Beweislage mittelmäßig.

Während ausgefeilte Konzepte für die Klimaregulierung von Großkonzernen zumindest in der Schublade liegen, sind Umweltpolitiker zumeist ratlos, wenn es um das Individuum geht. Und lassen dabei viel Raum für Fantasie und visionäre Konzepte.

Der bisher radikalste Plan kommt aus Großbritannien, wo er von Umweltminister David Miliband unterstützt wird: Angefangen bei der Queen, würde jeder Brite ein einheitliches Kohlenstoffbudget bekommen, das auf einer Art Kreditkarte gespeichert wird. Beim Tanken, Heizen oder Buchen eines Flugs müssten die Kunden dann nicht nur mit Geld bezahlen, sondern auch mit Kohlenstoffpunkten, sogenannten Carbon Points.

Wer viel fliegt oder fährt, wäre dann recht schnell in den Kohlenstoffmiesen – und müsste sich bei einer Kohlenstoff-Zentralbank zusätzliche Carbon Points kaufen. Sparsame Familien, die kein Auto fahren, ihren Urlaub in Cornwall statt in der Karibik verbringen oder sich eine Solaranlage aufs Dach setzen, könnten überschüssige Punkte an die Bank verkaufen und damit echtes Geld verdienen.

Das Revolutionäre an der Idee Milibands: Nicht nur die Großverschmutzer aus der Industrie nehmen am Emissionshandel teil, sondern jeder einzelne Bürger. Dafür musste Miliband jede Menge Kritik einstecken: Verlierer seien die armen Leute, die sich kein sparsames Auto leisten könnten; oder Rentner, die im Winter ihre alten Heizungen abstellen müssten, um Geld zu sparen, hieß es in wütenden Briefen an sein Ministerium.

Doch auch Umweltschützer sind skeptisch. Das Konzept sei zwar „auf den ersten Blick faszinierend“, sagt Jörg Haas von der Heinrich-Böll-Stiftung. „Aber möglicherweise ist es weit weniger effektiv als das Instrumentarium, das wir heute haben.“

Haas hat daher zusammen mit dem US-amerikanischen Ökounternehmer Peter Barnes ein anderes Modell entwickelt, das weniger nach staatlicher Bevormundung riecht und weniger nach Geldbeutelplünderei: den Sky-Trust. Dabei geht Haas vom Prinzip der öffentlichen Güter aus: „Die Atmosphäre gehört allen Menschen und nicht nur ein paar Konzernen.“ Ein unabhängiger Sky-Trust, eine Art „Himmels-Treuhand“ würde die CO2-Zertifikate verwalten und an die Industrie versteigern. Bezahlen müsste also zunächst jedes Unternehmen, das Kohlenstoff in Umlauf bringt. Wenn die Unternehmen die Mehrkosten dann auf die Preise umlegen, würden klimaschädliche Produkte deutlich teurer.

Das Besondere am Sky-Trust: Die Milliardengewinne aus der CO2-Versteigerung werden als Dividende ausgeschüttet – an jeden einzelnen Bürger. Die werden so für die höheren Energiepreise entschädigt. „Dieses System würde die richtigen Anreize für Klimaschutz schaffen“, sagt Haas. Denn ein Geländewagenfahrer würde an der Tankstelle mehr Geld zusätzlich bezahlen, als er als Dividende zurückbekommt. Wer Fahrrad fährt, erhält dagegen mehr zurück, als er einzahlt.

Für das Sky-Trust-Modell müsste das bestehende europäische Emissionshandelssystem weiterentwickelt werden. Denn bisher verschenken die Regierungen die Verschmutzungsrechte noch zum größten Teil an die Industrie. Während die mit dem Verkauf der Gratiszertifikate große Gewinne einfahren kann, lässt das alte System die Verbraucher mit den höheren Preisen allein. NIKOLAI FICHTNER