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Archiv-Artikel

Lässiger Endspurt

In Stuttgart schwillt der Jubelchor auf den VfB an. Das Team von Armin Veh überzeugt beim Sieg gegen Mainz erneut mit konzentrierter Spiellust

AUS STUTTGART OLIVER TRUST

Unten im Stadtkessel, in der Clubzentrale, hinten im Osten der Stadt hört man das zwar gerne, will sich aber nicht wirklich daran beteiligen. Aber es gibt doch ein paar in Stuttgart, die bereiten sich nach dem 2:0 über Mainz 05 mit großer Vorfreude aufs Feiern vor. Ehemalige Meisterspieler von 1992 und andere sportliche Größen bilden einen unüberhörbar großen Jubelchor. Auch im Umfeld des VfB Stuttgart, der offiziell nur scheibchenweise seine Titelträume preisgibt, geht es hoch her. In den Fan-Artikel-Shops bilden sich lange Schlangen, die Preise für Tickets der ausverkauften Spiele erreichen auf dem Schwarzmarkt Höchstpreise, Mitarbeiter des VfB-Kartencenters schieben Überstunden, um 20.000 Tickets für das Pokalfinale zu verschicken, und innerhalb einer Woche waren nach dem Finaleinzug rund 10.000 T-Shirts mit dem Aufdruck „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin“ verkauft.

So gelassen die Stuttgarter auf die Zielgerade der Spielzeit einbiegen, so gelassen laufen im Hintergrund die Bemühungen um Verstärkungen für die neue ab. Mit Yildiray Bastürk (Hertha BSC) ist man sich nach nicht offiziell bestätigten Erkenntnissen über einen Vierjahresvertrag einig, was aber erst nach der Saison verkündet werden soll. Ob man sich um den Mainzer Mohamed Zidan bemühen soll, ist noch nicht endgültig entschieden. Erstens wäre der ägyptische Stürmer mit rund 4 Millionen Euro teuer und zweitens gilt er als nicht eben pflegeleicht. „Mit alldem beschäftigen wir uns dann zu gegebener Zeit“, behauptete Horst Heldt. „Jetzt sieht es so aus, als ob über die Schale im Pott entscheiden wird, wir sind ja in Bochum und nicht weit vom Revierderby zwischen Dortmund und Schalke entfernt.“

Am Morgen nach dem 19. Saisonsieg beim regenerativen Training beherrschte wieder kontrollierte Offensive den Alltag. Jeder auf dem Trainingsgelände der „Roten“ schien zu wissen, was erlaubt ist und was nicht, wobei nichts erzwungen wirkt. Mario Gomez, der lange verletzte Torjäger, durfte sagen: „Ich denke, ich bin in Bochum wieder dabei.“ Und Trainer Veh bestätigt das. Anders als bei Bayern München, Werder Bremen und Schalke 04 muss sich in Stuttgart keiner um den Betriebsfrieden sorgen. Keiner will weg, die Verträge der meisten Jungstars sind erst kürzlich verlängert worden. Und mit Leidenschaft und Tempofußball ließ es sich für den VfB im Windschatten der großen Platzhirsche prächtig leben. Was Veh und Heldt für den Klub seit Wochen predigen, scheint der jüngsten Bundesligaelf in Fleisch und Blut übergegangen. Eine Mischung aus Spiellust, unerschütterlicher Konzentration und Selbstvertrauen entfaltet ihre Kraft.

„Es ist doch schön, wenn überall im Stadion Meisterschalen gezeigt werden. Aber wir als Mannschaft, wir wissen um unsere Stärken. Die Spieler wissen, sie haben nur so Erfolg. Jetzt wird das ein Herzschlagfinale, und es ist toll, dass wir als VfB Stuttgart dabei sein können.“ Es klingt fast eintönig beiläufig, wenn Coach Veh dann noch sagt: „Ich mache mein Leben nicht davon abhängig, ob wir Meister werden. Dass wir auf Platz zwei stehen, freut mich, oder soll ich jetzt sagen, dass das eine gefährliche Situation für uns ist? Klar wollen wir deutscher Meister werden. Das wäre doch schlimm, wenn wir es nicht werden wollten.“ Und rund um den Klub bereitet sich eine ganze Stadt aufs Feiern vor.

Ganz anders die Verlierer aus Mainz. Nachdem Fernando Meira (26.) und Roberto Hilbert (64.) den verdienten Sieg der Schwaben herausgeschossen hatten, sprach der Mainzer Klubchef Harald Strutz vom „gefühlten Abstieg“ und davon, dass man sich nun dem Neuaufbau widmen werde. Manager Christian Heidel sah völlig bedient aus. Was er sagte, klang, als gehe es nur noch darum, den Nachlass eines ehemaligen Zweitligaklubs abzuwickeln. „Es bricht keine Welt zusammen, wer hätte uns denn schon zugetraut, drei Jahre lang in der Bundesliga zu spielen“, sagte er. Am Ende stand Jürgen Klopp, der Trainer, da und weigerte sich standhaft, die weiße Fahne zu hissen. „Vom gefühlten Abstieg kann keine Rede sein. Die Lage ist nicht besser geworden. Jetzt geht es darum, wieder aufzustehen und unseren Fans einen Heimsieg gegen Mönchengladbach zu schenken.“