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Archiv-Artikel

Intendantin mit Akzent

Auch wenn nur wenige ihren Namen kennen, ihre Finger hatte sie schon gelegentlich im Spiel bei dem, was in Berlin im Theater gespielt wurde. Denn Annemie Vanackere, die gestern als Nachfolgerin von Matthias Lilienthal vorgestellt wurde, hat als Co-Produzentin aus Rotterdam oft die Ensembles und Künstler unterstützt, die Lilienthal nach Berlin brachte, wie die britischen Performer Forced Entertainment mit ihren ausufernden Erzählformen oder die wirklichkeitsversessenen Stücke von Rimini Protokoll. Ja, selbst zum Ruhm des Berliner Theaters in Europa trug sie bei, indem sie 2004 als erstes Theater der Niederlande mit der Volksbühne zusammenarbeitete und Frank Castorf und René Pollesch nach Rotterdam einlud.

Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz, dem zusammen mit dem Aufsichtsrat der Hebbel-Theater Berlin GmbH die Wahl eines Nachfolgers oblag, präsentierte die Frau mit dem charmanten Akzent wie eine exotische Beute: Dass sie in der internationalen Szene so gut vernetzt ist wie ihr Vorgänger, sichert die Wahl schon mal gegen Vorwürfe ab, der großen Strahlkraft, die Matthias Lilienthal dem HAU erarbeitet hat, Abbruch zu tun.

Annemie Vanackere, 1966 in Kortrijk, Belgien, geboren, erlebte ihre Initiation in das Theater im flämischen Tanztheater der 90er Jahre. Das stimuliert sie bis heute, sich im Tanz ebenso wie im Theater umzuschauen. 1995 wurde sie künstlerische Direktorin an der Schouwburg Rotterdam, konzipierte dort 2001 das Internationale Theaterfestival Rotterdam und gründete ein Productiehuis, um den Gastspielbetrieb der Schouwburg mit eigenen Produktionen zu ergänzen – eine Struktur, die für Holland Modellcharakter hatte.

Aber auch dort wird das Geld, das für Kultur ausgegeben wird, gekürzt, auch dort musste sie Drittmittel akquirieren, noch eine Erfahrung, die sie in Berlin brauchen wird. Im Juli 2011 kommt sie erst mal in die Stadt für einen Sprachkurs, ab Januar 2012 will sie sich vorbereiten auf die Intendanz, die sie im September 2012 übernimmt. „Eine Revolution wird das nicht, ich schätze die Arbeit von Matthias Lilienthal sehr“, versicherte sie.

KATRIN BETTINA MÜLLER