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Archiv-Artikel

Das kommt mir nicht in die Tüte

INHALT Biolebensmittel sind meistens auch besser fürs Klima – aber nicht immer. Ein neuer Supermarkt in Berlin geht deshalb einen neuen Weg, er hat umweltschädliche Einwegverpackungen abgeschafft

Biobauern verzichten auf Kunstdünger, Pestizide, auf Antibiotika und Gentechnik und achten darauf, Tiere möglichst artgerecht zu halten. Bio schont also Gewässer und Böden vor Ort, auch den Tiere geht es besser als in der konventionellen Landwirtschaft. Doch wie sieht es mit der Ökobilanz aus? Sind Biolebensmittel auch besser fürs Klima? Hier wird es kompliziert.

Beim Getreideanbau liegt Bio vorne. Laut einer Studie von Foodwatch verursacht Bioweizen nicht einmal halb so viel Treibhausgase wie herkömmlich erzeugter. Ökorindfleisch hingegen ist einer der größten Klimasünder überhaupt. Das liegt etwa daran, dass die Tiere frei herumlaufen und viel Weideland beanspruchen. Beim Schweinefleisch schneidet wiederum die Ökohaltung besser ab.

Auch die Sache mit der Regionalität hat ihre Tücken. Wer Saisonware aus dem Umland kauft macht grundsätzlich alles richtig. Unter bestimmten Umständen aber schneidet ein Bioapfel aus Argentinien bei der Klimabilanz besser ab als einer aus dem Havelland. Im Winter etwa, wenn deutsche Äpfel hierzulande monatelang speziell gelagert und gekühlt werden müssen. Das frisst Energie, während anderswo die Sonne das Obst wachsen lässt. Weil per Containerschiff riesige Mengen auf einmal auf die Reise gehen, fällt auch der Transportweg nicht mehr ins Gewicht.

Über einen ganz anderen Aspekt haben sich Sara Wolf und Milena Glimbovski Gedanken gemacht: Über den Verpackungswahn beim Einkaufen. 16 Millionen Tonnen Verpackungen wandern jedes Jahr allein in Deutschland in den Abfall; der Plastikmüll in den Ozeanen ist ein globales Umweltproblem. Das muss anders gehen, fanden die beiden Frauen und erdachten eine außergewöhnliche Geschäftsidee: einen Supermarkt, der komplett auf Einwegverpackungen verzichtet. Offenbar haben sie damit einen Nerv getroffen.

Am Tag der Eröffnung bildeten sich lange Schlangen in dem kleinen Markt in Kreuzberg. Rund 350 Produkte liegen im Regal oder hängen in durchsichtigen sogenannten Bulk Bins an der Wand. Das Gemüse kommt direkt in den Beutel, die Nudeln wandern aus einer Schütte ins Glas, Shampoo wird gezapft. Wer keine eigenen Behälter dabei hat, kann im Laden Papiertüten, Vorratsdosen oder Baumwollbeutel erstehen.

So großartig die Idee ist – der erste Testkauf verlief nicht ganz reibungslos: Es erweist sich als gar nicht so einfach, die gewünschte Menge Reis oder Nudeln ins Glas zu hebeln. Wer sich verschätzt hat und zu viel einfüllt, darf das aber an der Kasse zurückgeben. Einige Produkte wie Wurst und Fleisch haben es noch gar nicht ins Sortiment geschafft, aus Platz- und Hygienegründen. Und der Einkauf dauert definitiv länger.

Dafür kommt man an der Kassenschlange schnell ins Gespräch mit anderen Kunden und freut sich zu Hause, dass man nicht mehr eingekauft hat als man eigentlich braucht – und über ausgefallene Produkte wie die Zahnpasta zum Draufbeißen. Die Gründerinnen sind mit dem Start jedenfalls vollauf zufrieden. Sie denken bereits über ein Franchise-System für ganz Deutschland nach.

ULRIKE SCHATTENMANN

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