: Sehnsucht? „Geht mir ab“
KLEINKUNST Eine Hamburger Hafenkneipe ist das Studio von Ina Müllers ARD-Talkshow „Inas Nacht“. „Sabbeln und saufen klappt“, sagt sie. Und dass Gott oft missverstanden wird
■ Person: Deutsche Sängerin, Musik-Kabarettistin, Buchautorin, Fernsehmoderatorin. Geboren am 25. Juli 1965 in Köhlen, Landkreis Cuxhaven, als vierte von fünf Töchtern einer Bauernfamilie.
■ Werdegang: Nach einer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin arbeitete sie in Apotheken auf Sylt. Ihre Showkarriere begann 1994 als Teil des Kabarettduos Queen Bee. Einem breiten Publikum wurde sie durch ihre Late-Night-Show „Inas Nacht“ bekannt. Heute startet die neue Staffel (ARD, 23.40 Uhr).
STICHWORTE ALEM GRABOVAC
Erste Erinnerungen
Küchenbank mit Plastikbezug, Bratkartoffeln statt Brei.
Bauernhof
Feldarbeit im Herbst. Abgefrorene Hände und Nasen. Gras zwischen den Zähnen, Kuhscheiße an den Füßen, manchmal auch umgekehrt.
Kühe melken
Jeden Tag zweimal. Alle Kühe hatten Namen, die ich heute noch weiß. Lieblingskuh Loni.
Fünf Schwestern
Häufigste Reaktion: „Der arme Vater“! Habe ich nie verstanden. Wir haben auf dem Hof gearbeitet wie Jungs, und danach noch die Küche gefeudelt.
Hospitalismus
Hört sich schlimmer an als es war. Das Hin- und Herschaukeln des Kopfes war für mich eine große Wohltat.
Kindheit
Generation „Augenpflaster“. Gut ausgebildete Motorik, da wir auf dem Land ständig irgendwelchen Kackehaufen ausweichen mussten.
Apothekerin
Offene, weiße, gestärkte Kittel, die beim Gehen leicht nach hinten wegfliegen und rascheln. Toll.
Reihenhaus auf Sylt
Würde mir heute eher den Hals zuschnüren. Manchmal habe ich Muster in den Teppich gestaubsaugt.
Arzneimittelkoffer
Habe gestern mein Antibiotikum gegen Schweinegrippe entsorgt. Mut zum Risiko.
Kabarett
Warum sagen so viele Menschen immer „Cabaret“, obwohl sie „Kabarett“ meinen. Als würden alternde Kabarettisten auf der Bühne die Beine zum Cancan hochschleudern, mein Gott!
Singen
Hobby, Beruf, Sucht, Spaß! Und zwei- oder dreistimmig am schönsten.
Musikalische Vorbilder
Hatte ich nie. Eigentlich komisch.
„Arschlochliste“ bei Inas Nacht
Ein Fass ohne Boden. Wurde deshalb seit zwei Jahren nicht mehr aktualisiert.
Wunschgast
Gibt es eigentlich nicht. Es gibt eher so Wunschkombinationen. Die klappen aber in der Regel nicht.
Sabbeln und Saufen
Das klappt in der Regel sehr gut.
Vorwurf: Laut und frivol
Meinetwegen.
Musik- und Fernsehkritiker
Ich lese seit vielen Jahren keine Kritiken mehr über mich. Rigoros. Seitdem geht’s mir besser. Die Kritiken über andere lese ich allerdings gerne!
Hamburg
Nichts ist so öde wie die ständige Städte- und Mentalitätsdiskussion.
Plattdeutsch
Muttersprache. In meinem Kopf immer noch präsenter als Hochdeutsch. Extrem gut singbar.
Schokolade und Pizza
Es gibt Situationen, da hilft sonst nix.
Horrorfilme
Haben mir das Parken in Tiefgaragen und das Schwimmen im Meer nachhaltig versaut.
Fußball
Ist mir nicht mehr wichtig. Seitdem Trainer und Spieler die Vereine wechseln wie andere ihre Unterhosen, kann ich dafür leider keine Leidenschaft mehr empfinden.
„Schuhe enttäuschen dich nie“
Genau!
Liebe
Die Liebe ist das Licht des Lebens, und die …
Ehe
… ist die Stromabrechnung.
Schönheit
War zum Glück für meinen Beruf nie primär wichtig. Halleluja!
Männer
Öffnen ihre Bierflaschen an der Tischkante meines teuren Flötotto-Designer-Tisches.
Frauen
Auch.
Feminismus
Guter Inhalt, aber unschön und aggressiv klingendes Wort. Schade.
Alice Schwarzer
Sagte in meiner Sendung, dass Männer schön sein müssen. Das fand ich lustig.
Angela Merkel
Als sie an Krücken ging, lag Steinmeier in den Umfragen wieder vorn. Da würde ich als Kanzlerin aber mal auf den Tisch hauen und brüllen: „Das Volk ist ’ne alte Bitch.“
Kapitalismus
Scheint sich finanziell ja zu lohnen.
Erfolg
Macht mich manchmal eben doch glücklich.
Geld
Manchmal auch.
Macht
In meinem Team darf jeder machen was ich will.
Gewalt
Das allerschlimmste auf der ganzen Welt.
Luxus
Einen echten Flügel auf die Bühne zu schieben, nur weil die Sängerin sich drauf setzen möchte.
Utopien
Eine Welt, in der ein Liter Milch wieder mehr kostet als ein Liter Cola.
Kinder
Kinderlos und trotzdem glücklich. Für viele Menschen nicht vorstellbar, aber laut Studie möglich.
Heimat
Ein überstrapaziertes Wort.
Träume
Das notwendige Verarbeiten der Eindrücke des Vortages. Mehr nicht.
Sehnsucht
Geht mir irgendwie ab. Außer nach frischer Luft, etwas Liebe und ab und zu einem Bier sehne ich mich selten nach etwas.
Angst
War viele Jahre meine größte Baustelle. Sie hat mir viele Dinge verboten. Heute kann sie mich am Arsch lecken.
Geheimnisse
Sind spannend und erhalten in der Beziehung die Romantik.
Feinde
Dieses Wort habe ich, glaube ich, das letzte Mal als Kind beim Cowboy- und Indianerspielen benutzt.
Glück
Ich habe festgestellt, dass man Glück manchmal doch kaufen kann.
Hoffnung
Im Alter etwas leichtfüßiger und esoterischer zu werden. Wenn ich zum Beispiel ein Feng-Shui-Anhänger wäre, müsste ich nicht mein Leben ändern, sondern nur mein Bett umstellen.
Lebensmotto
„Man muss auch mal abgeben können“, immer im Wechsel mit, „wenn man nicht alles selber macht“.
Alter
Falter!
Glauben
Macht in den letzten Stunden des Lebens vielleicht alles etwas leichter. Aber das kann Morphium auch.
Gott
Der Arme, wird so oft missverstanden und benutzt. Ständig ist er schuld und soll wieder irgendwem helfen und immer alles verzeihen. Ich könnte das nicht.
■ Alem Grabovac, 40, sonntaz-Autor, wurde in seinem Leben schon mehrfach von Schuhen enttäuscht