Tests machen Schule

Diese Woche fanden in NRW so genannte Lernstandserhebungen in Deutsch und Mathe statt. Pädagogen kritisieren die Grundschultests: In die Ergebnisse werde zu viel hinein interpretiert

Bis zum Abitur müssen Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Prüfungen bestehen und Tests absolvieren: mit Vier Jahren: Deutschtest (alle) 1. Klasse: Schuleingangstests (alle) 3. Klasse: Lernstandserhebungen (alle) 4. Klasse: alle drei Jahre IGLU-Studie (Stichproben) 8. Klasse: Lernstandserhebungen (alle) Mit 15 Jahren: alle drei Jahre PISA-Studie (Stichproben) 10. Klasse: Zentrale Klausuren 12./13. Klasse: Zentralabitur

VON ELMAR KOK

180.000 Schüler mussten in dieser Woche ihre Mathematik- und Deutschkenntnisse beweisen. In den so genannten Lernstandserhebungen werden Drittklässler in den Fächern Mathematik und Deutsch mit einheitlichen Tests geprüft. Sie finden in insgesamt sieben Bundesländern statt.

Das Schulministerium erhofft sich von dem Testverfahren eine bessere Überprüfung des Leistungsstandes der SchülerInnen. Zudem sollen die PädagogInnen bewerten können, wie ihre Klasse im Vergleich mit Drittklässlern anderer Schulen abschneidet. Außerdem sollen LehrerInnen den Förderbedarf ihrer Klasse besser einschätzen können.

Damit die Ergebnisse des Tests noch vor dem Wechsel der Kinder auf eine weiterführende Schule in Förderpläne umgesetzt werden können, fanden die VERA (Vergleichsarbeiten in der Grundschule) genannten Tests gestern (Mathematik) und am Dienstag (Deutsch) erstmals in der dritten Jahrgangsstufe statt.

Verbände kritisieren die VERA-Tests. Die einstündigen Einmaltests seien eine „befremdliche Situation für die Kinder“, sagt Horst Bartnitzky, Pädagoge und Vorsitzender des Grundschulverbandes in Deutschland. Sein Verein hat 12.000 Mitglieder, unter ihnen Grundschulen, LehrerInnen und WissenschaftlerInnen. Bartnitzky sagt, für die Politik sei es ausreichend, alle vier Jahre Stichproben zu machen. VERA findet hingegen jährlich statt. Die Gesamterfassung aller Schulen könne zu Schulrankings führen, wie sie die FDP in NRW seit langem fordert. Die Landesregierung hatte beschlossen, dass Eltern zukünftig innerhalb der Gemeinde die Grundschule frei wählen dürfen. Die Tests könnten nun dazu führen, dass Schulen in sozialen Brennpunkten zukünftig noch schlechter dastehen. „Dabei wird in diesen Schulen oft besser pädagogisch gearbeitet“, so Barnitzky. Die gute Pädagogik schlage sich in den Testergebnissen aber wegen der Schülerzusammensetzung nicht nieder. „Die Testergebnisse geben kein verwertbares Zeugnis für einzelne Schulen“, sagt der Verbandschef. Zudem ließen die „simplen Bleistift-Tests“ nicht erkennen, dass hinter manchem Fehler, den ein Schüler mache, „ein kluger Gedanke steckt“. Unter den GrundschullehrerInnen sei der Test sehr umstritten. Einige wollten, dass „ihre Schüler gut abschneiden, andere hassen die Tests.“ Eine Schulleiterin habe ihm geschrieben: „Ab jetzt wird niemand mehr sein Kind Vera nennen!“

Bislang ist unklar, was VERA das Land NRW kostet. Eine Das Schulministerium von Barbara Sommer (CDU) kann die Kosten nicht beziffern. Ministeriumssprecher Herbert Spies erklärte gestern gegenüber der taz, dass dem Schulministerium keine Zahlen zu Kosten des VERA-Tests vorlägen. „Warum, dass weiß ich nicht.“

Wenigstens die SchülerInnen der dritten Klassen können mit den Testergebnissen noch vor den Zeugnissen kalkulieren. Steht jemand am Ende des Schuljahres zwischen zwei Noten, soll der Test den Ausschlag geben.